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Greenpeace: Regierung verpasst Klimaziel

Rund 400 Millionen Euro soll laut Bundesregierung der Verkauf der Emissionszertifikate für den CO2-Ausstoß in die Staatskasse spülen. Profitieren soll davon vor allem das Bundesumweltministerium. Die entsprechenden Maßnahmen hatte das Kabinett bei seiner Klausurtagung in Meseberg beschlossen. Doch was bringen die Beschlüsse in der Praxis? Greenpeace hat mit spitzem Bleistift nachgerechnet und in Berlin eine Studie dazu vorgestellt.

Von Philip Banse | 19.11.2007
    Greenpeace hat untersuchen lassen, wie groß die CO2-Einsparungen tatsächlich sein werden, wenn die Meseberg-Beschlüsse so umgesetzt werden, wie es sich derzeit abzeichnet. Grundlage der Analyse sind also nicht die Klimabeschlüsse aus Meseberg, sondern die daraus abgeleiteten Gesetzentwürfe, die bisher vorliegen. Das Ergebnis dieser Studie sei ernüchternd, sagt Andree Böhling, Energieexperte von Greenpeace:

    "Das Ergebnis dieser Studie besagt, dass die Ziele, die die Bundesregierung mit diesen Klimaschutzmaßnahmen verbunden hat, nämlich eine Reduzierung der Treibhausgase um 40 Prozent bis 2020, nicht erreicht werden können. Wir kommen auf etwa 160 Millionen Tonnen eingespartes CO2 statt 270 Millionen Tonnen, die Bundesregierung nimmt Kurs auf maximal 30 Prozent Emissionsminderung."

    Dass das Klimaziel nach der Greenpeace-Studie verfehlt wird, habe mehrere Ursachen. Beispiel: Energieerzeugung. Die Bundesregierung hat in Meseberg beschlossen: Verdopplung des Anteils der klimafreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung auf 25 Prozent im Vergleich zu heute, - was rund 20 Millionen Tonnen CO2 einsparen würde. Dieses Ziel könne mit den vorliegenden Gesetzentwürfen nicht erreicht werden, sagt der Greenpeace-Energieexperte. Zweites Beispiel: Energieeinsparungen bei Gebäuden. Hier hatte die Bundesregierung in Meseberg zwar beschlossen, für Neubauten sehr strenge Energiestandards festzulegen, so Greenpeace-Mann Böhling:

    "Das begrüßen wir auch sehr. Nur das Hauptproblem löst sie da nicht. Das ist die fehlende Kontrolle, ob die Maßnahmen auch tatsächlich umgesetzt werden. Und deswegen können wir die Annahme, dass man im Gebäudesektor zum Beispiel 30 Millionen Tonnen CO2 einsparen kann, die können wir einfach nicht bestätigen."

    Im Gebäudesektor fordert Greenpeace also Kontrollmaßnahmen und Strafen. Weitere Forderungen von Greenpeace sind: Der Bau der geplanten 25 neuen Kohlekraftwerke müsse gestoppt werden. Außerdem müsse der Emissionshandel ausgebaut werden. Greenpeace beschuldigt vor allem das Bundeswirtschaftministerium, das Meseberger Programm zu verwässern. Das Wirtschaftsministerium wollte zu den Vorwürfen jedoch keine Stellung nehmen und verweist aufs Umweltministerium. Nur 30 Prozent statt 40 Prozent CO2-Einsparungen - Umwelt-Staatssekretär Michael Müller bestätigt die Ergebnisse der Greenpeace-Studie:

    "Das streiten wir auch nicht ab, das haben wir auch nie anders gesehen. Das ist ein Schritt in Richtung 40 Prozent Emissions-Einsparungen, mehr haben wir auch bisher gesagt. Bei aller Kritik, die ich ja zum Teil auch teile, was die Bundesregierung beim Thema Klimaschutz macht, aber das halte ich nun wirklich für eine bescheuerte Position."

    Bis zur Kabinettssitzung am 5. Dezember werde sich an der Umsetzung der Meseberger Beschlüsse nichts Grundlegendes mehr ändern, Müller sagte: "Das ist ausgeschlossen". Dann könne Deutschland seine Vorreiterrolle in beim UN-Umweltgipfel in Bali im Dezember nicht verteidigen, so Greenpeace. In Bali sollen Verhandlungen über die Nachfolge für das Kyoto-Protokoll beginnen.