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Grenzbereiche des Jazz

Auf seinem neuen Album mischt der Jazzsänger José James marokkanische Afrobeats mit Singer-Songwriter-Elementen, Funk und Streichersounds. Die Songs nahm er mit Hilfe von Kollegen wie Pino Palladino und Emily King auf und brachte sie erst danach beim renommierten Label Blue Note unter.

Von Christiane Rebmann | 26.01.2013
    "No beginning no end" heißt das neue Album des US-Künstlers José James. Der Titel sei wie eines dieser Zen-Rätsel, die man nicht durch Nachdenken lösen kann, erklärt der 35-Jährige.
    Dem Musiker aus Minneapolis war es wichtig, sich vom Etikett des Jazzsängers zu befreien, das ihm seit Anfang seiner Karriere anhing und das er inzwischen beinahe als Stigma empfindet. Deshalb hat er sich die Grenzbereiche zum Jazz erschlossen, mischt ihn mit Soul und Gospel, ohne dabei die Jazzsensibilität aufzugeben.

    José James liebt die alten Soulmeister Sam Cooke und Marvin Gaye. Sie lieferten das Gegenmodell zu dem, was heute in der R&B-Musikszene geboten wird. Er selbst versucht sich an diesem Rezept mit dem Song "Trouble".

    "Es geht hier darum, dass wir Männer unsere Verletzlichkeit zeigen. Dass wir zugeben, dass es in einer Beziehung ein Geben und Nehmen gibt. So wie Marvin das getan hat. Er sang: I want you. And i want you to want me too. Er sagte nicht: Ich hab diese Frau rumgekriegt. Er hatte nicht den typischen männlichen Anmachton drauf, der ja leider heute in der R&B-Musik dominiert."

    Bei der Arbeit an "No beginning no end" war Jose James ohne Plattenvertrag und hatte deshalb freie Hand. Er nahm die Songs mit Hilfe von Kollegen wie dem Produzenten und Bassisten Pino Palladino, dem Pianisten Robert Glasper und der Singer-Songwriterin und Gitarristin Emily King auf und brachte sie erst dann beim renommierten BlueNote-Label unter.
    Davor hatte er drei Jahre gebraucht, um über den Misserfolg seines zweiten Albums "BlackMagic" hinwegzukommen. Drei Jahre, in denen er sich mit anderen Themen als Musik beschäftigte.

    "Ich malte, ich schrieb Kurzgeschichten. Ich beschäftigte mich mit Kunst. Ich hatte ja mein College abgebrochen. Und es gab da noch so viele Dinge, die ich unbedingt lernen wollte."

    Dabei entdeckte er Parallelen zwischen der Malerei und der Musik.

    "Ich liebe Jean Michel Basquiat. Er hat die Alten Meister geliebt und verstanden. Aber er hat auch seinen ganz eigenen Stil entwickelt. Er hat sehr cool improvisiert und auf eine völlig ungewöhnliche, unerwartete Art Farben miteinander kombiniert, riesige Flächen in Pink mit orangefarbenen Flächen kombiniert und dann blaue Striche drüber geworfen. Und dann noch Schwarz dazu gesetzt, sodass die anderen Farben noch leuchtender rauskommen. Jeder andere wäre mit so etwas gescheitert. Aber er hat die Farben immer in der richtigen Relation eingesetzt. Ich habe auf diesem Album versucht, ähnlich mit der Musik umzugehen. Da gibt es marokkanische Afrobeats, dann Singer-Songwriter-Elemente, Funk, und dazu kommen noch die Streichersounds. Aber ich finde, insgesamt passt das alles gut zusammen."

    So mutig wie Basquiat ist Jose James zwar nicht. Aber für den Song "Sword and Gun" holte sich der Musiker, der lange in London lebte, immerhin die franko-marokkanische Sängerin Hindi Zahra ins Studio. Zusammen nahmen sie eine Art Protestsong gegen die politischen Auseinandersetzungen auf, in denen die USA mitmischen.

    "Dass ich lange in Europa gelebt habe, hat meine Haltung in dieser Hinsicht sehr verändert. Ich gehöre nicht zu den Musikern, die meinen, sie müssten anderen sagen, welche politische Haltung sie einzunehmen haben. Aber mein Neffe wurde eingezogen. Und wir fragten uns: Das sind doch noch Kinder. Ihr Leben wird einfach so verschwendet. Wofür sterben die? Man drückt ihnen eine Waffe in die Hand und schickt sie in einen Krieg, den selbst die verantwortlichen Politiker nicht verstehen. Und am Ende wurde uns klar, dass es hier doch nur darum geht, die Gier bestimmter Konzerne zu befriedigen."