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Grenze der Belastbarkeit

Umwelt. – Die tropischen Regenwälder in Südamerika und Südostasien gehören zu den artenreichsten Biotopen der Welt und spielen auch im Klimasystem eine Rolle. Auf beiden Erdteilen werden sie allerdings vom Menschen angegriffen. In der aktuellen "Science" weisen Wissenschaftler darauf hin, dass diese Umwandlung nicht mehr lange ohne Folgen bleiben wird.

Von Volker Mrasek | 30.11.2007
    Der tropische Regenwald am Amazonas zählt zu den größten natürlichen Kohlenstoff-Speichern auf dem Globus. Das ist inzwischen allgemein bekannt. Doch es gibt noch eine andere wichtige Funktion, die die ausgedehnten Naturwälder im Norden Südamerikas erfüllen. Yadvinder Malhi, Professor für Ökosystemforschung an der Universität von Oxford in England:

    "”Gäbe es keinen Wald am Amazonas, würde der Regen, der dort fällt, im Boden versickern und mit dem Grundwasser in Flüsse und letztlich ins Meer abfließen. Weil es aber Bäume mit tiefreichenden Wurzeln in Amazonien gibt, entziehen sie dem Boden das Wasser, befördern es nach oben, und wenn es verdunstet, landet es wieder in der Atmosphäre. Gebietsweise stammen zwischen 20 und mehr als 50 Prozent des Regens am Amazonas aus der Transpiration von Bäumen. Wenn man große Urwaldflächen abholzt, verändert das also auch die Niederschlagssituation.""

    Auf diese Gefahr verweist Malhi jetzt zusammen mit anderen Forschern aus England, Brasilien und den USA, in einem Übersichtsartikel für das Wissenschaftsmagazin "Science". Im Norden des amazonischen Regenwaldes gibt es demnach schon seit etwa 30 Jahren einen Trend zu größerer Trockenheit. In der Zukunft wird er sich nach den Ergebnissen von Klimasimulationen noch zuspitzen. Umso wichtiger sei es, die Situation durch die Rodung von Regenwald nicht noch zusätzlich zu verschärfen, mahnt Umweltforscher Malhi:

    "”Es hat bereits erste Versuche gegeben, das Zusammenspiel zwischen Regenwald und Atmosphäre bei der Niederschlagsentstehung genauer zu beschreiben. Die dafür verwendeten Computermodelle sind zwar sehr einfach und werden sicher noch verbessert. Aber sie deuten an: Wenn man mehr als 30 bis 40 Prozent der gesamten Regenwald-Fläche rodet, nimmt auch der Regen deutlich ab.""

    Bis heute sind rund 13 Prozent der einstigen Urwaldfläche am Amazonas abgeholzt und vor allem in Viehweiden und Soja-Plantagen umgewandelt worden. Es gibt Prognosen, nach denen es Mitte des Jahrhunderts um die 50 Prozent sein könnten. Allerdings hat das Ausmaß der Rodungen in Brasilien zuletzt abgenommen - immerhin jenes Land, in dem vier Fünftel aller Regenwald-Verluste auftreten. Auch Yadvinder Malhi hält es für möglich, noch unter der kritischen Schwelle von 30 bis 40 Prozent Abholzung zu bleiben:

    "”Es gibt durchaus Anlass, optimistisch zu sein. Die brasilianische Regierung bemüht sich seit Jahren um eine nachhaltigere Nutzung ihrer Naturressourcen. Solche Ansätze sind auch in anderen Ländern Amazoniens erkennbar. Die große Herausforderung ist allerdings, dass die Staatengemeinschaft finanzielle Mittel für den Schutz des Regenwaldes bereitstellt. Das könnte in Form eines internationalen Fonds geschehen. Es wird dann zwar immer noch Waldrodungen in Amazonien geben. Aber sicher geht dann nicht die Hälfte der Regenwaldfläche verloren, sondern vielleicht nur 20 Prozent bis 2050.”"

    Eine Möglichkeit wäre, das Kyoto-Protokoll zu ergänzen. Das Klimaschutz-Abkommen honoriert bisher nur Wiederaufforstungs-Maßnahmen, nicht aber den Erhalt von kohlenstoffreichen Urwäldern. Das sollte sich ändern, empfehlen Malhi und seine Kollegen, auch mit Blick auf die bevorstehende Welt-Klimakonferenz in Bali. Dort steht das Thema auf jeden Fall wieder auf der Agenda.