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Grenzen des Wachstums

Das Wachstum der Menschheit hat Grenzen. Mit dieser Aussage stieß der Club of Rome vor 40 Jahren auf Häme. Heute ist der Spott verflogen. Dafür ist ein neuer Bericht der Organisation umso pessimistischer.

Georg Ehring im Gespräch mit Benjamin Hammer | 08.05.2012
    Benjamin Hammer: Ein neuer Bericht im Auftrag des Club of Rome, was steht da eigentlich drin?

    Georg Ehring: Sehr viel Konkreteres als im ersten Bericht aus dem Jahr 1972, nämlich eine Vorhersage für die Zeit bis 2052, also für die nächsten 40 Jahre. Eine Konkretisierung dieser Grenzen des Wachstums, aber wieder mit der Diagnose: Die Erde wird übernutzt und die Menschheit wird anschließend einen Kollaps ihrer Lebensmöglichkeiten erleben. Für irgendwann in diesem Jahrhundert wurde es 1972 vorhergesagt, hervorgerufen durch Überbevölkerung, durch Rohstoffknappheit oder durch Umweltverschmutzung oder durch Nahrungsmittelknappheit. Und heute sagt man: Bis 2060 gebe es noch Wachstumsmöglichkeiten, das Wachstum wird zwar immer langsamer, aber es ist noch vorhanden. Danach setzt ein Rückgang ein. Die Bevölkerung wird etwa um das Jahr 2040 bei acht Milliarden Menschen ihren Höhepunkt erreichen. Das ist weniger als früher, weil es weniger Kinder gibt, vor allem in den Städten, aber die Grundtendenz bleibt: Die Diagnose Menschheit übernutzt den Planeten und das rächt sich in diesem Jahrhundert. Ein Beispiel: Man stößt zum Beispiel doppelt so viele Treibhausgase aus, wie die Meere und die Pflanzen wieder aufnehmen können. Die Chancen, dagegen zu steuern, in den vergangenen 40 Jahren seien sie nicht genutzt worden und auf Basis der derzeitigen Art, Entscheidungen zu fällen, erwartet Hauptautor Jorgen Randers auch nicht, dass sich das ändert. Die Hauptursache für den erwarteten Kollaps ist der Klimawandel und die Umweltverschmutzung, also nicht Fragen wie Ressourcenknappheit oder Bevölkerungswachstum, die ja ebenfalls Wachstumsgrenzen liefern könnten.

    Hammer: Den Klimawandel sprechen Sie an, nun gibt es viele Wissenschaftler, viele Politiker, die sich dagegen stemmen wollen, den Klimawandel aufhalten wollen. Glauben die Autoren also nicht, dass die Klimaziele eingehalten werden können?

    Ehring: Nein, genau das glauben sie nicht. Sie erwarten, dass die Wende zu entschiedenem Klimaschutz nicht gelingt. Bis 2030, so ihre Prognose, wächst der Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid, danach gibt es nur einen langsamen Rückgang, bis 2050 auf etwa das heutige Niveau, und um das zwei-Grad-Ziel zu erreichen, also eine Erwärmung um mehr als zwei Grad zu verhindern, wäre deutlich mehr als eine Halbierung bis 2050 erforderlich. Die Folge: Es wird wärmer, zwei Grad wärmer schon bis 2050, und dann geht die Erwärmung auch noch weiter und es könnte sein, dass Prozesse ausgelöst werden, die den Klimawandel dann noch von selber verstärken. Der Kampf gegen Klimawandel und Umweltverschmutzung wird teuer und die Folge ist, dass die Bewältigung der Folgen des Klimawandels so viel kostet, dass auch die Konsummöglichkeiten der Menschen ganz entschieden darunter leiden und das ist eine Wachstumsbremse für die zweite Hälfte des Jahrhunderts.

    Hammer: Herr Ehring, schauen wir kurz nach Brasilien, nach Rio: Rio plus 20, der Nachhaltigkeitsgipfel der Vereinten Nationen im Juni. Was muss denn dort passieren, damit man da so einen Kollaps der Erde verhindern kann?

    Ehring: Sie haben recht allgemeine Rezepte, was die Lösung wäre. Der ökologische Fußabdruck vor allem der reichen Länder müsse kleiner werden, Rio selbst könnte eine Verstärkung der internationalen Entscheidungsstrukturen bringen, damit die Menschheit die Möglichkeit hätte, schneller und besser auf solche Ereignisse wie den Klimawandel zu reagieren.

    Hammer: Herr Ehring, gerade jetzt in der Eurokrise hören wir immer wieder: Wirtschaftswachstum, wir brauchen Wirtschaftswachstum. Aber da stellt sich die Frage: Brauchen wir denn überhaupt die ganze Zeit Wachstum, damit es uns gut geht?

    Ehring: Für Jorgen Randers und seine Kollegen ist Wirtschaftswachstum mit immer mehr Ressourcenverbrauch nicht die Lösung, sondern das Problem. Die Wirtschaft wächst langsamer als früher erwartet und das sorgt dafür, nach seiner Diagnose, dass der Kollaps wenigstens herausgezögert werden kann. Schon in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts scheitert aber ihrer Ansicht nach der Versuch, die Probleme einzelner Länder durch mehr Wachstum zu lösen und gerade dieses langsamere Wachstum sorgt dafür, dass es der Menschheit insgesamt doch noch ein bisschen besser geht. Wachstum könnte natürlich gerade Probleme besonders armer Länder lösen, aber in der Prognose passiert gerade das nicht, denn die Armen bleiben vom Wachstum ausgeschlossen.