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Grenzen des Wachstums überschritten

Auf über 900.000 Hektar Ackerfläche wird inzwischen Mais produziert, vor allem für Biogasanlagen. Der Grund: Für Landwirte ist der Anbau von Energiepflanzen ein einträgliches Geschäft. Nachhaltigkeit sieht allerdings anders aus, kritisieren Experten und Umweltverbände.

Von Verena Kemna |
    Mit Mais wird immer mehr Energie erzeugt. Umweltverbände schätzen, dass die dafür benötigte Ackerfläche in den vergangenen sechs Jahren um das Dreizehnfache gewachsen ist, auf heute über 900.000 Hektar. Grund für diese zunehmende "Vermaisung" ganzer Landschaften sind vor allem Biogasanlagen. Ein lukratives Geschäft für viele Landwirte. Gefördert durch zahlreiche gesetzliche Boniregelungen etwa für Gülle und für Nachwachsende Rohstoffe sind in den vergangenen Jahren immer mehr Großanlagen entstanden, deren Nachhaltigkeit Experten anzweifeln. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) fordert gar ein Moratorium für den Ausbau von Biogas-Anlagen.

    Maismonokulturen ohne Fruchtwechsel führten indirekt dazu, dass Nahrungsmittelgetreide und Feldfrüchte teurer würden, dass Preise und Pachten für Ackerland steigen, dass immer mehr Grünland umgebrochen werde. Florian Schöne vom Naturschutzbund Deutschland hat allerdings die Hoffnung aufgegeben, mit der neuen Gesetzeslage ab 1. Januar würde sich dies ändern. Dabei habe das Bundesumweltministerium durchaus versucht, gegen den Widerstand aus der Maisbranche, Fehlentwicklungen entgegen zu steuern. So gibt es künftig für jede Anlage, egal ob Strom oder Gas erzeugt wird, Obergrenzen beim Einsatz von Mais, im Branchenjargon Maisdeckel genannt.

    "Der Gesetzgeber, das BMU, hat durchaus anerkannt, dass wir Fehlentwicklungen haben, das haben die auch sehr deutlich gemacht, gegen den Widerstand der Branche. Der Gesetzgeber hat jetzt im Sommer 2011 anerkannt, so kann es nicht weitergehen. Wir müssen den Anbau von Mais regulieren indem wir sagen, maximal 60 Prozent Mais oder Getreidekorn darf in die Anlage mit rein. Das heißt, der Landwirt soll sich diversifizieren und auf andere Anbaukulturen setzen."

    Dank der neuen Regelungen gibt es jetzt auch Geld für den Anbau besonders naturverträglich erzeugter Biomasse. Als Zwischenfrüchte von Ackerstandorten sind beispielsweise Luzerne- und Kleegras aufgeführt. Erstmals überhaupt ein Anreiz, damit Landwirte auf weiteren Maisanbau verzichten. Ähnlich wie der Maisdeckel, eine positive Neuerung im EEG 2012, aber nicht mehr als ein erster Schritt in die richtige Richtung, erklärt Florian Schöne. Er kritisiert, dass die Betreiber großer Biogasanlagen weiterhin Geld für die Verbrennung von Mais erhielten. Sie verfügten über derart große Kapazitäten, dass selbst ein auf 60 Prozent begrenzter Maisanteil immer noch zu hoch für einen angemessenen Natur- und Klimaschutz sei.

    "Das Problem ist, dass wir nach unserer festen Überzeugung, die Grenzen des Wachstums bei der Biomasse Erzeugung in Deutschland erreicht haben. Jeder weitere Hektar geht zulasten von Landnutzungsänderung und dann betreiben wir eigentlich keinen sinnvollen Klimaschutz mehr damit. Eigentlich müsste man jetzt einen Schnitt machen und sagen, Mais darf nicht mehr gefördert werden. Jeder weitere Hektar Mais ist einer zuviel."

    Auch Experten im Ökoinstitut Darmstadt bezweifeln, dass sich die Maismonokulturen durch die neue Gesetzeslage eindämmen lassen. Der Anbau von Mais als Energiepflanze sei durch EU-Prämien und die Vergütungssätze für Biogasanlagen nach wie vor lukrativ. Der finanzielle Anreiz für den Anbau von Zwischenfrüchten wie etwa Luzernegras, sei dagegen niedrig. Uwe Fritsche vom Ökoinstitut bezweifelt, dass sich Landwirte künftig für die Fruchtfolge und gegen die Monokultur entscheiden werden.

    "Das EEG ist nicht dazu in der Lage, regionale Besonderheiten wie zum Beispiel Fruchtfolgen oder Ausdehnungen von Anbauflächen zu regeln. Dazu brauchte man Regionalplanung."

    Den Maisdeckel von 60 Prozent wertet der Agrarexperte als positives Signal. Ob sich die Monokulturen dadurch eindämmen lassen, sei allerdings ungewiss.

    "Das eigentliche Problem ist ja nicht, dass sie jetzt Mais in der Biogasanlage einsetzen. Das eigentliche Problem ist, dass wir keine vernünftige räumliche Planung haben. Wo sollte eigentlich, welche Form von Biomasse angebaut werden. Ist ja völlig egal, ob ich daraus Biogas mache, oder ob ich das zu Futtermais verarbeite oder ob ich daraus nachwachsende Rohstoffe für die Chemieindustrie mache, das ist ja für den Acker vollkommen egal."

    Immerhin wurden die Förderregeln für Biomasse vereinfacht, die bislang schwer durchschaubare Vielzahl unterschiedlicher Extraboni und Zuschüsse reduziert. Eine positive Bilanz, meint Uwe Fritsche. Dazu zählt ebenso, dass nach wie vor kleine Biogasanlagen gefördert werden. Auch die neu eingeführte Mindestquote für die effiziente Wärmenutzung von Biogasanlagen beurteilt das Ökoinstitut positiv. So sollen neue Biogasanlagen künftig nur noch dann eine Vergütungsprämie erhalten, wenn zusätzlich zur produzierten Strommenge auch 60 Prozent der anfallenden Wärme genutzt werden. Aber auch Uwe Fritsche sieht mittelfristig Nachbesserungsbedarf. Die Anreize für wirtschaftlich lukrative Maismonokulturen seien nach wie vor zu hoch, meint der Biomasse-Experte vom Ökoinstitut Darmstadt.

    "Wir wollen jedes Jahr weniger Mais und immer mehr dieser mehrjährigen Energiepflanzen und das macht das EEG nicht."