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Grenznahe Lösung
Streit zwischen Spanien und Portugal um Atommüll-Lager

Spaniens Pläne, ein Atommüll-Zwischenlager in unmittelbarer Nähe zur portugiesischen Grenze zu bauen, stößt in Lissabon auf erheblichen Widerstand. Denn Spanien unterhält in dieser Gegend ein Atomkraftwerk, das die vorgesehene Laufzeit schon seit 2010 überschritten hat - und nun möglicherweise noch länger in Betrieb bleiben könnte.

Von Thilo Wagner | 13.01.2017
    Das Atom-Kraftwerk bei Tarragona: Hier gab es im Jahr 2007 einen Vorfall, bei dem radioaktive Partikel durch das Belüftungssystem ausgetreten waren.
    Das Atom-Kraftwerk bei Tarragona. Hier gab es im Jahr 2007 einen Vorfall, bei dem radioaktive Partikel durch das Belüftungssystem ausgetreten waren. (dpa / EPA/ Jaume Sellart)
    Nuno Sequeira von der Umweltschutzorganisation Quercus macht sich Sorgen um den Tejo. Der Fluss, der in Spanien entspringt und in Lissabon in den Atlantik mündet, gehört zu den wichtigsten Wasserläufen Portugals – und er liefert auch das Kühlwasser für ein spanisches Atomkraftwerk in Almaraz. Der Atommeiler, der 1983 rund 100 Kilometer östlich der spanisch-portugiesischen Grenzen in Betrieb genommen wurde, ist Umweltschützern seit Jahren ein Dorn im Auge.
    Das AkW sollte ursprünglich schon 2010 vom Netz genommen werden. Doch mitten in der Wirtschaftskrise verlängerte Spanien die Laufzeit. Ende Dezember verkündete die Regierung in Madrid den Bau eines neues Atommüll-Zwischenlager direkt neben den Reaktor. Nuno Sequeira befürchtet nun, dass mit dem neuen Zwischenlager der Meiler weitere zwanzig Jahre in Betrieb bleiben werde. Und dagegen müsse sich Portugal vehement wehren:
    Portugal hat keine Atomkraftwerke
    "Es hat bisher in Portugal an politischem Willen gefehlt, dieses sensible Thema anzupacken. Denn aus politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Gründen zeigen die portugiesischen Regierungen normalerweise kein Interesse, einen Konflikt mit Spanien vom Zaun zu brechen. Spanien ist der größte Abnehmer portugiesischer Exporte und entlang der Grenze leben viele Portugiesen, die in Spanien arbeiten. Das heißt, die Ängste, die es in Portugal hinsichtlich des Atomkraftwerkes gibt, sind von den portugiesischen Regierungen nicht weitervermittelt worden."
    Lissabon fühlt sich von Madrid übergangen
    Das hat sich jetzt schlagartig geändert. Die sozialistische Regierung in Lissabon fühlt sich von Madrid hintergangen, weil Spanien den Nachbarn noch nicht einmal angehört hat, bevor es seine Entscheidung zum Bau des Zwischenlagers traf. Am gestrigen Donnerstag ging in Madrid ein bilaterales Treffen ohne Einigung zu Ende. Portugals Umweltminister João Fernandes kritisierte, dass die konservative Regierung in Spanien kein Umweltgutachten vorgelegt habe, das auch die möglichen Folgen für das Nachbarland Portugal miteinschließen würde. Und jetzt bliebe nur noch der Weg nach Brüssel:
    "Wir werden bei der EU-Kommission Beschwerde einlegen. Die EU hat die Regeln für solche Umweltgutachten festgelegt, also soll sie in diese Meinungsverschiedenheit, die zwischen unseren Ländern existiert, eingreifen. Schließlich liegt die juristische Kompetenz für solche Fälle in Brüssel."
    Sozialisten und Konservative ließen Streitthema bislang unbeachtet
    Die portugiesischen Sozialisten, die das Streitthema in der Vergangenheit ebenso unbeachtet ließen wie die Konservativen, spüren jetzt den Druck der kleineren Linksparteien, von denen ihre Minderheitsregierung abhängig ist. Auf Initiative der Grünen verurteilten alle Parteien im Parlament in der vergangenen Woche in einer Resolution den Bau des Zwischenlagers. Ein deutlicher Warnschuss für die Regierung, so die Abgeordnete der Grünen, Helosia Apolónia:
    "Die sozialistische Regierung hat sich viel zu spät um diese Frage gekümmert. Erst als Spanien den Prozess zum Abschluss gebracht hatte, hat sich unsere Regierung beschwert. Wir haben uns deshalb dafür eingesetzt, dass das Parlament die Haltung Spaniens klar verurteilt. Was Spanien macht, gehört sich einfach nicht. Die Entscheidung von Madrid über das Zwischenlager verletzt europäische Regeln. Und es ist doch ganz klar, dass ein Nachbarland wie Portugal in diesem Fall angehört werden muss."
    Chance für Portugals Bevölkerung
    Dass der Streit zwischen Lissabon und Madrid ausgerechnet jetzt ausbricht, passt zum Verhältnis beider Regierungen. Während der politischen Krise in Spanien ist der eigentlich alljährlich stattfindende Gipfel der beiden iberischen Nationen ausgefallen. Die Sozialisten in Lissabon haben auf einen Regierungswechsel in Madrid gehofft. Premierminister António Costa soll dem damaligen spanischen Sozialistenchef Pedro Sánchez sogar Tipps gegeben haben, wie man ein Linksbündnis mit radikaleren Parteien bilden kann. Im Amt blieb in Spanien schließlich doch die konservative Regierung um Mariano Rajoy.
    Für die Grünen-Politikerin Apolónia ist der Konflikt um das umstrittene Atommüll-Zwischenlager aber auch eine Chance für Portugal:
    "Wir von der Grünen-Partei fordern von der portugiesischen Regierung nun, dass sie nicht nur das Umweltgutachten einfordert, sondern dass sie die Interessen der portugiesischen Bevölkerung verteidigt und die Stilllegung des Atomkraftwerks verlangt."