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Griechenland
Athens Wut und Berlins Warnungen

Im Schuldenstreit mit Griechenland wird der Ton abermals rauer. Regierungschef Alexis Tsipras wirft dem IWF "kriminelle Verantwortung" für die Finanzkrise vor. Aus Berlin kommen deutliche Worte. Führende Politiker der Regierungsfraktionen fordern die Regierung in Athen zum Einlenken auf.

16.06.2015
    Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis (l.) während der Rede von Ministerpräsident Tsipras im Athener Parlament
    Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis (l.) während der Rede von Ministerpräsident Tsipras im Athener Parlament (AFP / LOUISA GOULIAMAKI)
    In der griechischen Schuldenkrise entlädt sich der Druck zunehmend in harschen Äußerungen: Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras warf dem Internationalen Währungsfonds (IWF) eine "kriminelle Verantwortung" für die Finanzkrise vor. Das Vorgehen der Geldgeber sei "Teil eines politischen Plans", ein gesamtes Volk zu demütigen.
    Tsipras machte aus seiner Wut keinen Hehl als er sich vor der Fraktion seiner Regierungspartei Syriza äußerte. Es sei an der Zeit, dass die IWF-Vorschläge zum Schuldenstreit "nicht nur von uns, sondern vor allem von Europa beurteilt werden". Schließlich verhandele Europa nicht nur für Griechenland, "sondern für die Zukunft der gesamten Eurozone". Den Kreditgebern warf Tsipras eine "Machtdemonstration" vor, mit der "jeder Versuch, die Sparpolitik zu beenden, abgewürgt werden soll".
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warf dagegen Tsipras vor, er täusche seine Wähler über die Vorschläge der EU zur Lösung der Schuldenkrise. Die Debatte wäre einfacher, wenn die Regierung das wiedergeben würde, was die Kommission wirklich gesagt hätte.
    Athen will Raten offenbar nicht zurückzahlen
    Griechenland und die internationalen Geldgeber verhandeln seit Monaten über die Bedingungen für die Auszahlung ausstehender Finanzhilfen von 7,2 Milliarden Euro. Eine Einigung ist nicht in Sicht, allerdings drängt die Zeit, da das laufende Hilfsprogramm am Monatsende endet. Ohne neue Kredite droht Griechenland der Bankrott und womöglich der Austritt aus der Eurozone. Am Donnerstag und Freitag tagen die Euro-Finanzminister, am Wochenende könnte nach Angaben aus EU-Kreisen ein EU-Sondergipfel stattfinden.
    Athen muss dem IWF am Ende Juni Kredite in Milliardenhöhe zurückzahlen. Wie die "Bild"-Zeitung vorab berichtete, will Athen diese Raten offenbar aber nicht zurückzahlen. Die fällige Zahlung in Höhe von rund 1,6 Milliarden Euro solle um sechs Monate verschoben werden, schrieb die Zeitung unter Berufung auf griechische Regierungskreise. Demnach fand Athen eine "technische Möglichkeit für einen einseitigen Zahlungsaufschub" in den IWF-Regularien.
    "Hart und unmenschlich"
    Griechenlands Finanzminister Giannis Varoufakis sagte "Spiegel Online", die griechischen Spar- und Reformvorschläge seien bereits so "hart und unmenschlich", wie es die Deutschen für sich selbst nie akzeptieren würden. Seine Regierung werde das Reformprogramm nur umsetzen, "wenn Europa einer Umschuldung, Investitionen und einem Ende der Liquiditätskrise zustimmt".
    Auch in Berlin wurde der Ton erneut schärfer. Führende Politiker der Regierungsfraktionen forderten Athen mit deutlichen Worten zum Einlenken auf. "Die Bereitschaft zur Solidarität in Deutschland sinkt", warnte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) sagte: "Ich bin mir nicht mehr sicher, ob die griechische Regierung wirklich Schaden von ihrem Volk abhält."
    Warnung vor Eskalation
    Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rief Athen zur Einigung mit den Gläubigern auf. Zu den mühsamen Verhandlungen sagte sie in der Unionsfraktionssitzung: "Wir müssen Schritt für Schritt vorangehen." In Berlin sagte sie zudem, es gehe "im Kern darum, dass Griechenland notwendige Reformen durchführt".
    EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) warnte vor einer Eskalation. In der Krise gebe es "nicht die schnellen und einfachen Lösungen", sagte er "Spiegel Online". Auch er sei von den "Spielchen der Tsipras-Regierung genervt", jedoch müsse "gute Politik vom Ende her denken".
    Die große Mehrheit der Griechen will unterdessen im Euroland bleiben. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GPO, die vom Athener Fernsehsender Mega veröffentlicht wurde. 69,7 Prozent der Befragten sprachen sich demnach für den Verbleib in der Eurozone aus, auch wenn dies mit harten Sparmaßnahmen verbunden wäre.
    USA fordern "ernsthafte Anstrengungen" von Griechenland
    Inzwischen haben sich auch die USA zu Wort gemeldet. Nach Angaben des Finanzministeriums forderte Ressortchef Lew den griechischen Regierungschef in einem Telefonat auf, ernsthaft Initiative zu zeigen, um einen pragmatischen Kompromiss mit den Gläubigern zu erzielen. Ein endgültiges Scheitern der Verhandlungen würde eine generelle Unsicherheit für Europa und die Weltwirtschaft bedeuten.
    (pg/tön)