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Griechenland-Krise
Deutliche Kritik an der Regierung Tsipras

Trotz des Abbruchs der Verhandlungen über weitere Hilfskredite für Griechenland ist die Eurozone weiter zu Hilfe bereit. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kritisierte die Regierung in Athen scharf, betonte aber: "Die Tür ist noch nicht zu". Ähnlich äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel.

29.06.2015
    Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel nach einem Sondertreffen der Partei- und Fraktionschefs zur Entwicklung in der griechischen Finanzkrise.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel nach einem Sondertreffen der Partei- und Fraktionschefs zur Entwicklung in der griechischen Finanzkrise. (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker machte Athen vollständig für das Scheitern verantwortlich. "Ich fühle mich ein bisschen hintergangen", sagte er in Brüssel. Er habe alle Möglichkeiten ausprobiert, mit Griechenland zu einer Lösung zu kommen. Die Geldgeber hätten es "nie an Entschlossenheit oder Geduld fehlen lassen, die Vorschläge aus Athen zu prüfen."
    Juncker sagte weiter, er habe entgegen anders lautender Gerüchte Athen keine neuen Vorschläge zu unterbreiten. Allerdings sieht er noch Hoffnung: "Es ist nicht so, dass wir endgültig in einer Sackgasse stecken, aber die Zeit wird immer knapper", sagte der EU-Kommissionspräsident. Juncker bat die griechische Bevölkerung, in der für Sonntag geplanten Volksabstimmung für das Reformpaket der Geldgeber zu stimmen: "Das ist kein dummes Austeritäts-Paket." Ein Nein zu dem Reformen hieße ein Nein zu Europa.
    Merkel: "Europa kann nur funktionieren, wenn es kompromissfähig ist"
    Ähnlich äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie sagte nach einer Sitzung mit mehreren Ministern und den Partei- und Fraktionschefs der Parteien im Bundestag: "Sollte die griechische Regierung nach dem Referendum um weitere Verhandlungen bitten, werden wir uns solchen Verhandlungen selbstverständlich nicht verschließen." Sie betonte, es sei legitim, eine solche Abstimmung anzusetzen. Das Ergebnis werde man akzeptieren.
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf einer Pressekonferenz über das Referendum in Griechenland über das EU-Reformpaket.
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf einer Pressekonferenz über das Referendum in Griechenland über das EU-Reformpaket. (picture alliance / EPA / Olivier Hoslet)
    Gleichzeitig warf sie Athen vor, kompromisslos zu agieren. "Europa kann nur funktionieren, wenn es kompromissfähig ist." Die Eurozone habe mit ihrem Reformpaket ein großzügiges Angebot vorgelegt. Der Wille, auf die Geldgeber zuzugehen, sei bei der griechischen Regierung aber nicht da gewesen. Merkel kündigte an, dass der Bundestag sich am Mittwoch mit dem Thema befasst.
    Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisierte, dass die griechische Regierung keine Gegenleistung für Hilfen habe erbringen wollen. Der Euro werde nicht am Referendum scheitern. Er würde jedoch scheitern, wenn die Verbindlichkeiten wie von Athen gefordert weiter reduziert würden. "Der Euro braucht mehr Verbindlichkeiten und nicht ein weniger." Der britische Premierminister David Cameron hält einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone bei einem "Nein" bei der Volksabstimmung für schwierig. Aber dies müssten die griechischen Bürger entscheiden, sagt Cameron.
    Anders sieht das die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht. Sie sagte dazu im DLF: "Wir können der griechischen Regierung dankbar sein." Spaniens Finanzminister Luis de Guindos sagte im staatlichen Rundfunk, die Entscheidung der griechischen Regierung gebe den Banken das Landes eine Atempause. Allerdings dürften die Geldhäuser nicht zu lange geschlossen bleiben, denn sie seien das Rückgrat der Wirtschaft.
    Chaos an Börsen blieb aus
    Nachdem die Banken in Griechenland am Montag geschlossen blieben und der Kapitalverkehr stark beschränkt wurde, gingen die Börsen weltweit auf Talfahrt. Das befürchtet Chaos blieb aber aus.Griechenland muss morgen 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds überweisen. Den Betrag wird es nach Meinung von Beobachtern aber wohl nicht aufbringen können, zumal auch Renten und Gehälter für Staatsbedienstete fällig werden.
    Graffiti in Athen
    Ein Graffiti in Athen. (dpa/picture-alliance/Orestis Panagiotou)
    Ein milliardenschweres Rettungspaket von EU, EZB und IWF verfällt morgen, weil sich die Regierung mit den Gläubigern nicht auf die Bedingungen für die Auszahlung verständigte. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras warf den Geldgebern vor, sie durch den Stopp der Notkredite erpressen und das von ihm angekündigte Referendum über die Reformforderungen an seine Regierung kippen zu wollen. Auf diese Weise eine Entscheidung des griechischen Volkes zu verhindern, sei nicht mit der demokratischen Tradition Europas vereinbar, sagte Tsipras in einem Telefonat mit Juncker, wie aus Athener Regierungskreisen verlautete. Zudem habe Tsipras EU erneut um eine kurzfristige Verlängerung des Hilfsprogramms gebeten.
    Dem Land droht der Staatsbankrott. Die Bürger versuchen deshalb, möglichst viel Geld von ihren Konten abzuheben, was die Banken in Zahlungsschwierigkeiten bringt. Bisher hat sie die EZB mit Hilfskrediten über Wasser gehalten. Sie erklärte aber gestern, diese Hilfskredite nicht auszuweiten. Dadurch sah sich die Regierung zur Einrichtung von Kapitalverkehrskontrollen gezwungen.
    (cc/hba/tzi)