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Griechenland vor der Umschuldung

Angeblich steht Griechenland kurz vor einer Einigung mit seinen privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt. Das hat jetzt EU-Wirtschaftsminister Olli Rehn angekündigt. Doch selbst wenn eine Grundsatzeinigung gelingen sollte, bleiben viele Fragen offen.

Von Michael Braun | 10.01.2012
    Nichts wird gut in Griechenland. Dazu wurde offenbar zu viel zu lange versäumt. Der radikale Umbau der Volkswirtschaft führt erst einmal zu anhaltender Schrumpfung der gesamtwirtschaftlichen Leistung im vorigen Jahr um etwa 5,5 Prozent. 2009 waren es minus 2,3 Prozent, 2010 minus vier Prozent. Parallel dazu sinken die Einkommen und steigt die Arbeitslosigkeit. Sie lag Ende vorigen Jahres bei 17,7 Prozent. Bei den jungen Menschen bis zu 24 Jahren sind es rund 40 Prozent. Und der Staatshaushalt ist alles andere als in Ordnung:

    "Die Lage in Griechenland ist nach wie vor dramatisch. Der Schuldenstand wächst in diesem Jahr, also 2012, auf fast 200 Prozent. Das Defizit soll sich reduzieren von neun auf sieben Prozent. Also es werden nach wie vor enorme Schulden aufgehäuft."

    Sagt Uwe Angenendt, der Chefvolkswirt der BHF Bank. Die griechischen Staatsschulden sind auf gut 340 Milliarden Euro aufgelaufen. Langfristige Finanzierungen bekommt Griechenland derzeit am Markt nicht mehr. Es behilft sich damit, immer wieder mal kleinere Löcher zu stopfen mit kurzfristigen Anleihen. Auch heute wieder. Das Land hat sich rund 1,6 Milliarden Euro beschafft. Bei einer Laufzeit von einem halben Jahr wurden 4,90 Prozent Zins fällig. Deutschland musste gestern wenige als null Prozent bieten, bekam also Geld geschenkt für seine Sicherheit als Schuldner. Die fehlt in Griechenland völlig. Das Land ist abhängig von Hilfen der Währungsunion und des Internationalen Währungsfonds. Allein im März müssen gut 17 Milliarden Euro alte Anleihen umgeschuldet werden. Kommt die Hilfe nicht, werden zuerst die griechischen Banken, traditionell größter Gläubiger des griechischen Staates, betroffen. Burghard Allgeier, Chefvolkswirt von Hauck und Aufhäuser:

    "Die griechischen Banken wären unmittelbar tot "

    Das strahlte vor allem auf das französische Bankensystem aus. Das ist nicht nur durch Anleihekäufe, sondern auch durch Beteiligungen in Griechenland dabei. Der genossenschaftliche Crédit Agricole etwa hat mit der Emporiki eine Tochterbank in Griechenland. Insgesamt hätten sich die Geldgeber Griechenlands aber auf die traurige Lage langsam eingestellt, meint BHF-Volkswirt Angenendt:

    "Ich glaube nicht, dass durch eine Griechenland-Insolvenz die europäischen Banken noch in Probleme kommen würden. Denn dieses Engagement ist weitgehend abgeschrieben. Es wird ja mittlerweile auch ein Schuldenschnitt für Griechenland von 75 Prozent diskutiert. Was allerdings nach wie vor extrem schädlich für den gesamten Währungsraum sein kann, sind die Ansteckungsgefahren, also das was in Griechenland passiert, wird dann auch möglicherweise für andere Länder angenommen, insbesondere für die großen Länder, Italien und Spanien, was die Krise natürlich wieder voll aufflammen ließe."

    Rund 450 Banken und Versicherungen sind mit dem griechischen Finanzministerium im Gespräch, um über den internationalen Bankenverband IIF auszuhandeln, wie private Gläubiger an einem Schuldenschnitt für Griechenland beteiligt sein werden. Die Verhandlungen schleppen sich seit Monaten hin. Ein Hindernis: Weil die Banken freiwillig verzichten sollen, treten ihre Kreditausfallversicherungen nicht ein. Das ärgert die, die für solche Versicherungen gezahlt hatten und die nun nicht besser dastehen als Mitbewerber, die sich die Versicherungskosten gespart hatten. Doch scheint ein Kompromiss nahe: EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn sagte gestern, die Verhandlungen stünden kurz vor einem
    Abschluss.