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Griechische Schule in München
Eine Frage der Ehre

Seit über einem Jahrzehnt soll sie gebaut werden: die griechische Schule in München. 2001 hatte die Stadt Griechenland ein Grundstück zur Verfügung gestellt. 16 Jahre später ist aber baulich außer einem halb fertigen Rohbau nicht viel passiert. Inzwischen ist die unfertige Schule zum Politikum geworden.

Von Susanne Lettenbauer | 19.05.2017
    Das Bild zeigt den Rohbau der griechischen Schule in München. Vor dem Rohbau ist das Bauschild mit den Bauinformationen zu sehen.
    Der Bau der griechischen Schule in München hat zu Spannungen geführt. Um das Grundstück zu behalten, will Griechenland offenbar bis vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag ziehen. (Deutschlandradio / Susanne Lettenbauer)
    Ein langer Bauzaun, hoch aufragende Betonwände, Vögel hüpfen durch halbfertige Räume – den gewaltigen vor sich in modernden Rohbau inmitten eines idyllischen Wohngebietes im Münchner Osten kann man kaum übersehen. Sogar auf älteren Satellitenbildern und bei google maps fällt der grauweiße Fleck neben grünen, gepflegten Vorgärten auf. Seit Monaten rührt sich hier nichts mehr, beobachten Passantinnen:
    "Also das wurde jetzt vor einem Jahr angefangen oder so vor anderthalb, mitten im Winter, dann haben sie eine lange Pause gemacht und jetzt ist es schon über einem halben Jahr so."
    "Also ich weiß nicht, wann die das wieder wegmachen. Wird das noch was oder bleibt das jetzt so?"
    So wie diese beiden Schülerinnen fragen sich viele Anwohner in den Einfamilienhäusern rundum, was es mit diesem Rohbau auf sich hat. Dass es eine griechische Schule werden soll, steht auf dem überdimensionalen Bauschild - in deutschen und griechischen Buchstaben. Bauherr ist das griechische Bildungsministerium in Athen. Ein Projekt also von ganz oben. Der Frust unter den Anwohner wächst:
    "Als die gebaut haben, da waren drei oder vier griechische Freunde, die da gearbeitet haben. Mehr waren das ja nicht. Das zieht sich ja schon Jahre hin, Jahre. Wenn bei uns was gebaut wird, dann geht das halt … aber so? Unmöglich."
    Planungsstopp aus finanziellen Gründen
    Im Jahr 2001 kaufte Griechenland das Grundstück für einen schon damals unglaublich niedrigen Freundschaftspreis von 2,6 Millionen D-Mark, bis 2006 sollte die Schule für rund 700 Schüler stehen. Doch die Planungen stockten, offiziell aus finanziellen Gründen. Erst 2014 und zwei millionenschwere Rettungsschirme später erfolgte der erste Spatenstich, nachdem man an Münchens Stadtspitze langsam unruhig wurde und auch die griechischen Verbände drängten. Bis 2016 sollte der Rohbau stehen – ohne Erfolg. Man habe den Griechen eine Chance geben wollen, erklärt der heutige Kommunalreferent Axel Markwardt die 16 Jahre dauernde Malaise:
    "Na ja, man wollte den Griechen immer mit allerbesten und guten Willen noch mal eine Chance einräumen. Die griechischen Vertreter haben gegenüber der Stadtspitze, dem Stadtrat und uns im Kommunalreferat immer betont, jetzt seien sie soweit, jetzt sei auch das Geld im Haushalt bereitgestellt und jetzt seien sie allen guten Willens, diese Schule zu vollenden."
    In einer Zeit, in der München jede kleinste freie Fläche für den Wohnungsbau benötigt, der Siedlungsdruck enorm wächst und ein Dutzend neue Gymnasien gebaut werden sollen, wirkt das jahrelange Nachgeben des Stadtrates nahezu fahrlässig. Im Kommunalreferat begründet man die Engelsgeduld mit den engen historischen Verbindungen Bayerns zu den Hellenen. Dass man mittlerweile wieder im Grundbuch stehe als Eigentümer, hat die Situation nicht entschärft, bedauert Kommunalreferent Markwardt. Denn der griechische Staat ist de jure noch immer Besitzer und hält daran eisern fest:
    "Nein, jetzt gibt es keine Fristen mehr. Wir sind noch im Gespräch mit den griechischen Vertretern und sind grad dabei, ein Gutachten einzuholen, von dem wir uns Hinweise darauf erwarten, wie wir in das Grundstück vollstrecken können und eine solche Vollstreckung bereiten wir gerade vor."
    "Man muss sich das auch leisten können"
    Im Münchner Westend im Griechischen Haus, dem Begegnungszentrum der Münchner Griechen, empfindet man die Bauruine als peinlich. Anfangs wurden für die geplante Schule sogar Spenden gesammelt, sagt Constantinos Gianacacos. Jetzt wolle Griechenland bis vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag ziehen, um das Grundstück zu behalten. Es gehe nicht mehr nur um eine Provinzposse, sondern dem griechischen Staat um die Ehre, so Gianacacos.
    "Man wollte etwas anderes, man wollte so etwas wie Institut Francais oder das Instituto Cervantes. Das ist sehr schön, aber dann muss man sich das auch leisten können."
    Mittlerweile hat sich Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel eingeschaltet. Und die Stadt München muss handeln. Am liebsten würde man auf den 15 000 Quadratmeter-Grundstück selbst eine Schule bauen. Den Rohbau abreißen. Die Kosten dafür beziffert der Kommunalreferent Markwardt offiziell als "überschaubar". Inoffiziell weiß man, die Kosten werden in die Millionen gehen. Denn obwohl die Griechen nur wenig gebaut haben – das aber richtig.
    Bombenfest und erdbebensicher.