"Der Holzschneider mit seinem Messer ist, wie der Bauer mit seinem Pflug, der Gärtner mit dem Spaten, der Metzger mit dem Beil bei seinem Tun vom Gesetz des Handwerks geschützt. Dieses Gesetz lässt kein uferloses, unverantwortliches Abenteuern zu …" So schrieb Helmut Andreas Paul Grieshaber – und das uferlose Abenteuern, das wäre die Abstraktion gewesen, der er entsagte – zugunsten einer Gegenständlichkeit, die bei näherer Betrachtung aber doch eine Vielzahl abstrakter Elemente aufweist, einen ganzen Urwald tanzender, schablonierter, immer neu variierter Grundformen.
Grieshaber war ein politischer Künstler; und die Reutlinger Ausstellung tut das Klügste, was man in einem solchen Fall tun kann: Sie stürzt sich nicht auf Bauernkrieg und Chile-Plakate, sondern sie nimmt den proletarisch geerdeten Holzhauer bei seinem Handwerk, sie zeigt seine Wurzeln – und das heißt dann paradoxerweise: seine Verankerung in der Moderne. Zwar stammt der Holzschnitt aus dem Mittelalter, und auch der Ausstellungsort, das Reutlinger Spendhaus, ist eine mittelalterliche Kornkammer mit hölzerne n Querbalken und Verstrebungen. Aber so wie das Haus völlig modernisiert ist, so hat auch Grieshaber den Holzschnitt für die Moderne gerettet – mit Großformaten und riesigen Druckstöcken.
Die Ausstellung präsentiert zunächst den (dreimaligen) Documenta-Teilnehmer Grieshaber, der Drucke neben Holzblöcken in die Landschaft stellte und der uns hier programmatisch als griechischer Pan entgegentritt. Die ineinander verknäuelten Menschentierwesen, die ironisch angeschrägten Janusköpfe, der dynamisch aufgeladene "Tanz der Gebärenden" zeigen, dass es hier, neben allen politischen Widernissen, auch um die Lust am Leben geht.
Der gelernte Schriftsetzer und Buchdrucker Grieshaber hatte unter den Nazis Berufsverbot gehabt; er schmuggelte in den 30er Jahren hebräische Schriftzeichen in seinen Hiob-Zyklus und ritzte mit heftigen Linien eine "Passion" und die raue Schwäbische Alb. Entscheidender aber ist, was die Ausstellung über seine künstlerischen Vorbilder erzählt. Es sind erstaunlicherweise nicht die expressiven Brücke-Künstler, die den Holzschnitt ja für die Moderne wiederentdeckten; es sind Paul Klee und Marc Chagall. Grieshabers Variationen der gotischen Reutlinger Marienkirche aus den dreißiger Jahren sind reiner, verspielter, gestrichelter Klee; sein märchenhaftes, ländliches "Ulmer Tuch" von 1949 ist deutlich von Chagall beeinflusst. Dessen traumwandelnde "Arabische Nächte" (mit dem Verführungsobjekt Frau) gehören in ihrer Buntheit zu den schönsten Referenzbildern der ansonsten mit zeitgenössischen Ikonen nicht so überreich bestückten Schau.
Prägend für Grieshaber war natürlich Picasso in der Verzerrung und Fragmentierung, aber auch Beckmann: Grieshabers "Schmerzensbild", ein Diptychon mit vergewaltigter Frau und einem steif stehenden Soldaten, setzt die Figuren in ein Beckmannsches Gerüst aus Umrissen. Viel reicher kann dann das Kapitel argumentieren, das dem Karlsruher Akademie-Lehrer Grieshaber und seinen Schülern gewidmet ist. Grieshaber war ein völlig undogmatischer Meister, und während der Herr Professor längliche Frauenschenkel und Panflöten in seinen Formenwald schnitt, malten die Schüler wild gestisch und abstrakt (wie Walter Stöhrer) oder zur Not doch surreal oder figurativ wie der frühe Dieter Krieg. Eine weitere Generation griff dann eher Grieshabers politische Intentionen auf: von Jörg Immendorff etwa ist eine großartige Farbholzschnitt-Variation seines "Café Deutschland" zu sehen.
Entscheidend für Grieshaber war die Lust am Machen, am Produzieren, das Wühlen und Schneiden im Holz mit dem Messer oder auch der Motorsäge. Dass er ein politischer Künstler war, zeigt die "Afrikanische Passion", ein Triptychon tanzender Schwarzer, beobachtet von einem "Raketenmenschen". Und dass auch der politische Künstler Subtilität hatte, beweist das Zeitschriften-Projekt "Engel der Geschichte", für das Grieshaber zahlreiche Vorlagen schnitzte. Hier kommt seine Begeisterung für die Kinderzeichnung oder für die Kunst von Psychiatrie-Patienten, sein Mitgefühl für die Vergessenen und Unterdrückten zum Tragen, und mit diesen Engeln endet die Ausstellung – oben, unter dem Dach, ganz nah am Himmel, wo Grieshaber auf seiner Reutlinger Achalm ja schon immer wohnte.
Grieshaber war ein politischer Künstler; und die Reutlinger Ausstellung tut das Klügste, was man in einem solchen Fall tun kann: Sie stürzt sich nicht auf Bauernkrieg und Chile-Plakate, sondern sie nimmt den proletarisch geerdeten Holzhauer bei seinem Handwerk, sie zeigt seine Wurzeln – und das heißt dann paradoxerweise: seine Verankerung in der Moderne. Zwar stammt der Holzschnitt aus dem Mittelalter, und auch der Ausstellungsort, das Reutlinger Spendhaus, ist eine mittelalterliche Kornkammer mit hölzerne n Querbalken und Verstrebungen. Aber so wie das Haus völlig modernisiert ist, so hat auch Grieshaber den Holzschnitt für die Moderne gerettet – mit Großformaten und riesigen Druckstöcken.
Die Ausstellung präsentiert zunächst den (dreimaligen) Documenta-Teilnehmer Grieshaber, der Drucke neben Holzblöcken in die Landschaft stellte und der uns hier programmatisch als griechischer Pan entgegentritt. Die ineinander verknäuelten Menschentierwesen, die ironisch angeschrägten Janusköpfe, der dynamisch aufgeladene "Tanz der Gebärenden" zeigen, dass es hier, neben allen politischen Widernissen, auch um die Lust am Leben geht.
Der gelernte Schriftsetzer und Buchdrucker Grieshaber hatte unter den Nazis Berufsverbot gehabt; er schmuggelte in den 30er Jahren hebräische Schriftzeichen in seinen Hiob-Zyklus und ritzte mit heftigen Linien eine "Passion" und die raue Schwäbische Alb. Entscheidender aber ist, was die Ausstellung über seine künstlerischen Vorbilder erzählt. Es sind erstaunlicherweise nicht die expressiven Brücke-Künstler, die den Holzschnitt ja für die Moderne wiederentdeckten; es sind Paul Klee und Marc Chagall. Grieshabers Variationen der gotischen Reutlinger Marienkirche aus den dreißiger Jahren sind reiner, verspielter, gestrichelter Klee; sein märchenhaftes, ländliches "Ulmer Tuch" von 1949 ist deutlich von Chagall beeinflusst. Dessen traumwandelnde "Arabische Nächte" (mit dem Verführungsobjekt Frau) gehören in ihrer Buntheit zu den schönsten Referenzbildern der ansonsten mit zeitgenössischen Ikonen nicht so überreich bestückten Schau.
Prägend für Grieshaber war natürlich Picasso in der Verzerrung und Fragmentierung, aber auch Beckmann: Grieshabers "Schmerzensbild", ein Diptychon mit vergewaltigter Frau und einem steif stehenden Soldaten, setzt die Figuren in ein Beckmannsches Gerüst aus Umrissen. Viel reicher kann dann das Kapitel argumentieren, das dem Karlsruher Akademie-Lehrer Grieshaber und seinen Schülern gewidmet ist. Grieshaber war ein völlig undogmatischer Meister, und während der Herr Professor längliche Frauenschenkel und Panflöten in seinen Formenwald schnitt, malten die Schüler wild gestisch und abstrakt (wie Walter Stöhrer) oder zur Not doch surreal oder figurativ wie der frühe Dieter Krieg. Eine weitere Generation griff dann eher Grieshabers politische Intentionen auf: von Jörg Immendorff etwa ist eine großartige Farbholzschnitt-Variation seines "Café Deutschland" zu sehen.
Entscheidend für Grieshaber war die Lust am Machen, am Produzieren, das Wühlen und Schneiden im Holz mit dem Messer oder auch der Motorsäge. Dass er ein politischer Künstler war, zeigt die "Afrikanische Passion", ein Triptychon tanzender Schwarzer, beobachtet von einem "Raketenmenschen". Und dass auch der politische Künstler Subtilität hatte, beweist das Zeitschriften-Projekt "Engel der Geschichte", für das Grieshaber zahlreiche Vorlagen schnitzte. Hier kommt seine Begeisterung für die Kinderzeichnung oder für die Kunst von Psychiatrie-Patienten, sein Mitgefühl für die Vergessenen und Unterdrückten zum Tragen, und mit diesen Engeln endet die Ausstellung – oben, unter dem Dach, ganz nah am Himmel, wo Grieshaber auf seiner Reutlinger Achalm ja schon immer wohnte.