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Größer, schöner, breiter

Der "Cocoon Club" in Fechenheim ist ein nobles Szene-Highlight, das der deutsche Techno-Godfather und DJ Sven Fäth betreibt. Eine Ausstellung des Frankfurter Museums für Moderne Kunst zeigt jetzt neue Arbeiten aus der so genannten "Cocoon-Serie" von Andreas Gursky.

Von Anne Quirin |
    Andreas Gursky präsentiert zwei sehr unterschiedliche Szenen aus einem Techno-Club. In Szene Nummer eins drängeln sich geschätzte tausend Menschen in einem hohen Raum, sie tanzen oder unterhalten sich. Ein paar aufreizend gekleidete GoGo-Tänzerinnen heizen die Stimmung zusätzlich an. Obwohl die zwei Bilder dieser Szene selbstredend stumm sind, meint man die Musik zu hören, die in dem Club gespielt wird. Sie ist laut, rhythmusbetont und mitreißend.

    Das Motiv eines sich der Musik kollektiv hingebenden Massenpublikums hat Gursky schon in früheren Werken thematisiert. Er fotografierte dafür große Techno-Events, ein Toten-Hosen oder Madonna-Konzert. Inspirationsquelle für diese neuen Bilder der "Cocoon"-Serie war aber auch der spezifische Ort, an dem sich die beiden Szenen abspielen: der Frankfurter Cocoon-Club des bekannten Techno DJs Sven Väth. Mit ihm verbinde ihn eine lange Freundschaft, erklärt Andreas Gursky.

    "Und irgendwann entstand mal der Wunsch einer Kooperation, wir wussten aber nicht genau, in welcher Form und das hat sich über die Jahre so entwickelt. Es gibt ja auch Vorgänger, ich habe sehr viele Mayday-Bilder gemacht, da war das eigentlich eine Frage der Zeit, wann der Cocoon-Club reif ist, weil die Wände, die haben mich von Anfang an haptisch so fasziniert, dass ich zwar drei Jahre brauchte, aber es ist jetzt keine konzeptionelle Entscheidung, sondern eher eine Bauchentscheidung."

    Die Wände mit ihrer wabenartig durchlöcherten Struktur, sind das architektonische Markenzeichen des Clubs und - wenn auch stark verfremdet - Mittelpunkt von allen vier Bildern.

    Im Bildpaar der ersten Szene nehmen sie etwa Zweidrittel der Bildfläche ein. Einmal wölben sie sich silbrig-glänzend wie ein Vorhang, einmal wirken sie wie mit breiten, schwungvollen Pinselstrichen in gelb-gold-orange hineingemalt. Hieran wird besonders augenscheinlich, wie weit sich Gursky von seinen künstlerischen Wurzeln der streng formalisierten Becher-Schule gelöst hat und sich nun alle Freiheiten der digitalen Bildbearbeitung erlaubt. Für die "Cocoon"-Serie hat Gursky auch mit den Computer-Programmen gearbeitet, mit denen die Designer und Architekten den Club entworfen haben.

    "Die haben mir ihre Programme zur Verfügung gestellt, die Bilder sind zum Teil gar nicht fotografiert, sondern am Computer entworfen, mithilfe der Programme und man kann den Club auf jeden Fall wiedererkennen."

    So Gursky. Von "Fotografie", also "mit Licht schreiben" kann hier nicht mehr die Rede sein. Aber nichts desto trotz: Mit ihrer glatt-glänzenden Oberfläche sehen die großformatigen Bilder aus wie Fotografien und wollen uns damit glauben machen: "So könnte es gewesen sein." Der Direktor des Museums für Moderne Kunst, Udo Kittelmann:

    "Der Fotografie dürfen wir ja allgemein nicht mehr trauen. Das war immer schon so, aber seitdem man natürlich das fotografische Bild digital verändern kann, können wir ihm überhaupt nicht trauen. Natürlich ist das Medium Fotografie, aber es hat sehr viele malerische Aspekte."

    Im Gegensatz zur ekstatisch aufgeladenen ersten Szene, zeigt die zweite im Nachbarraum eine völlig andere, intime Seite des Cocoon-Clubs. Denn die ist Menschenmasse verschwunden, und mit ihr die bunten Farben und die pulsierende Atmosphäre. Selbst die wabenartigen Wandflächen sind zur Ruhe gekommen, haben sich begradigt. Was zurück bleibt, sind auf einem Bild ein Mikrofonständer und drei leere Trinkbecher; auf dem anderen zwei Personen. Einmal Andreas Gursky selbst, auf dem Boden kniend. Er studiert eine Art Blechschild, das mit seiner löchrigen Struktur wie ein Musterstück der Wände aussieht. Neben ihm auf dem Boden liegen weitere solcher Stücke und eine Sonnenbrille. Die andere Figur, in Rückenansicht, betrachtet die Wand.

    In beiden Werken dieser zweiten Szene gibt es viel freie Fläche - aber keine Leere, denn die kontemplative Stimmung füllt den Raum mit Tiefe. Während die erste Szene sich dem Thema Clubkultur auf eine erwartbare Weise nähert - nämlich schrill, laut und bunt - fügt die zweite der kleinen Ausstellung eine reizvolle Perspektive hinzu. Denn sie liefert nicht nur Einblicke in das Davor oder Danach der Techno-Party, sondern offenbart auch eine seltene Facette an Gurskys Werk: nämlich eine stille, nachdenkliche, unspektakuläre.

    Die Ausstellung von Andreas Gursky "Cocoon/Frankfurt" wird noch bis zum 17.8.2008 im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt gezeigt.