Archiv


Grollen, Zischen, Donnern

Auf Lanzarote finden Besucher in weiten Teilen eine sehr bizarre Vulkanlandschaft vor. Die letzten Vulkanausbrüche liegen zwar schon sehr lange zurück, aber sie haben sehr deutliche Spuren hinterlassen.

Von Petra Ensminger |
    Ein Vulkan bricht aus, gigantische Naturgewalt, die Erde öffnet sich und spuckt ihr Inneres aus, Lava und Asche begraben große Teile der Insel unter sich.

    Mehr als 280 Jahre ist das her, sechs lange Jahre bebt damals die Erde, Jahre, in denen die Bewohner Lanzarotes die Flucht ergreifen, oder in Angst und Schrecken auf der Insel weiter leben müssen. Dann ein weitere Vulkanausbruch, der letzte auf der Insel, knapp 200 liegt der zurück, wieder fließen glühende Lavamassen, begraben weitere Teile Lanzarotes unter sich. Insgesamt ein Viertel der Insel wird mit dieser dunklen Schicht bedeckt, geschmolzene Stein- und Erdmassen, die an der Oberfläche zu kantigen Lavasteinen erstarren und die Landschaft in eine schwarze Steinwüste verwandeln.

    Heute ist all das immer noch zu spüren, - und zu erleben, etwa im Informationszentrum der Feuerberge, Montanas del Fuego. Dort im Keller können Besucher für einen Moment eintauchen, in diese Zeit der Katastrophe, bei einer Simulation im dunklen Raum stehend, vor einem nachgebildeten Felsen, der rot glühend, dampft und grollt, es riecht nach Rauch.
    "Is jetzt zu Ende? Das war schon ein bisschen spannend", sagt ein kleiner Junge und ein Engländer in der Besuchergruppe wünscht es sich noch spannender, noch authentischer, mit wackelndem Boden unter den Füßen, eine Bemerkung, die den Mitarbeiter des Info-Zentrums amüsiert, denn:

    "Ja, das hatten wir einmal, es gab eine wackelnde Plattform, aber ein Besucher stürzte, und wenn bei 50 Leuten auf diesem engen Raum einer umfällt, fallen 50 Leute um, wir hatten echt Probleme, jetzt ist es nicht mehr erlaubt."

    Die Katastrophe nachvollziehen, auf Lanzarote ist das an mehreren Orten möglich: Hunderte von Jahren liegen die Ausbrüche zurück, aber noch immer ist die Landschaft vor allem im Westen Lanzarotes bestimmt vom schwarzen Lavagestein. – Und - noch immer brodelt es - unter der Oberfläche, eindrucksvoll demonstriert nur wenige Meter vom Informationszentrum entfernt, mitten im Nationalpark Timanfaya, auf einem unscheinbaren staubigen Platz.

    Ein Parkwächter schüttet einen Eimer Wasser in ein kleines Loch in der Erde, er bittet die umstehenden Touristen zurückzutreten, nur wenige Sekunden später wissen wir warum:

    "Hab mich auch erschreckt", pass auf, er macht's noch mal."

    Eine Wolke aus Wasserdampf schießt zischend aus der Erde, etwa zwei Meter hoch ist der Geysire, der die Umstehenden sichtlich überrascht, Erstaunen auf den Gesichtern, Begeisterung, über diese noch immer zu spürende Naturgewalt. In einer Tiefe von gut vier Kilometern blubbert an dieser Stelle der Insel noch immer Magma in einer Kammer, an der Oberfläche haben die Wissenschaftler Temperaturen von bis zu 200 Grad Celsius gemessen, und in nur wenigen Metern Tiefe wird’s dann schnell bis zu 600 Grad Celsius heiß, was der Park-Mitarbeiter dann auch noch mit Hilfe trockener Zweige demonstriert: Mit einer Mistgabel hält er die Zweige kurz an die Wand eines Erdlochs, wo sie schnell Feuer fangen.

    Brandgefährlich, die Feuerinsel Lanzarote, und noch immer beeindruckt von dieser "geothermischen Anomalie", wie die Vulkanforscher dieses Hitzephänomen nennen, besteigen wir den Bus, mit dem die Touristen eine 14 Kilometer lange Rundtour entlang der Hauptvulkanausbruchszone machen können, mit dem eigenen PKW ist die Durchfahrt nicht erlaubt.

    Es geht durch schmale in den Vulkanfels geschlagene Gänge, über Lavahügel und kurvenreich an Schluchten, Höhlen und kleinen Öfen vorbei, schwarze Lavalandschaft, so weit das Auge reicht, schroff und faszinierend zugleich, auch riesige Vulkankrater können wir bestaunen, über die Buslautsprecher werden die Mitfahrenden über die Landschaft informiert.

    "Unter den Organismen, die direkt auf den Felsen leben befinden sich vor allem Vögel und vor allem verschiedene Flechtenarten."

    Wachstum auf Lavagestein, tatsächlich sind es fast ausschließlich die Flechten, die ins Auge fallen, kleine fein verästelte moosartige Gewächse, nahezu 200 Unterarten haben die Wissenschaftler inzwischen auf der Vulkanoberfläche registriert. Sie trotzen der Kargheit und geben den Felsen, je nach Art und Jahreszeit, unterschiedliche Farben, von gelb leuchtend bis silbrig schimmernd ist so manches dabei.

    Etwa 20 Minuten dauert die Fahrt durch diese Mondlandschaft, und längst haben wir nicht alles gesehen, was diese Naturkatastrophe angerichtet hat, Lava bedeckt weite Teile der Insel, den Menschen auf Lanzarote blieb nichts anderes übrig, als sich mit den widrigen Umständen anzufreunden, nicht zuletzt die Landwirte haben das recht erfolgreich getan, deutlich sichtbar im Inselzentrum, wo sich das größte Weinanbaugebiet der Kanarischen Inseln befindet: La Geria.

    Quer durch dieses tausende Quadratmeter umfassende Gebiet führt eine Landstraße, von der aus man gut die ungewöhnliche Anbauweise bewundern kann. Überall mit Mauern umfasste trichterförmige Mulden, in die Weinstöcke gepflanzt sind. Das Grün ihrer Blätter hebt sich leuchtend vom schwarzen Lavaboden ab. Was es mit dieser Anbauweise auf sich hat, erfahren wir in einer der zahlreichen Bodegas, der Weinkellereien, die entlang dieser Landstraße zu finden sind, und Genießern auch für Weinproben offen stehen.

    "Hola, hola, möchten Sie das Museum besuchen?”"

    Im ältesten Weingut der Kanarischen Inseln, El Grifio, haben die Besitzer ein kleines Museum eingerichtet, zu sehen sind Werkzeuge aus dem 19. und 20. Jahrhundert, eine alte Fassbinderei, mit Zeichnungen über die Fassherstellung, sowie Kelteranlagen. Munia Yasmin Guemmi führt Besucher durch die Räume und die junge Frau mit hoch gesteckten dunklen Haaren und geradem Gang ist trotz ihrer zunächst verschlossen wirkenden Art auch für Fragen zur Geschichte Lanzarotes offen. Auf der kargen Insel spielt Landwirtschaft heute eine relativ geringe Rolle, mit Ausnahme des Weinanbaus, und das ist tatsächlich der Asche zu verdanken, auf den Kanaren auch Picon genannt:

    ""Früher vor den Vulkanausbrüchen hat man Getreide verarbeitet, nachher wurde alles mit dieser Vulkanasche bedeckt und das ganze Getreide war kaputt und man hat versucht neue Sachen zu pflanzen. Das Picon ist wie ein poröser Stein und deswegen ist es jetzt möglich Trauben zu pflanzen, und Sachen, die man halt früher nicht pflanzen konnte"

    Kleine Körnchen aus Vulkanasche, die nicht nur die Feuchtigkeit halten und den Boden tagsüber vor Austrocknung schützen, sondern die Luftfeuchtigkeit, etwa in der Nacht, wie ein Schwamm aufnehmen, und dann an den Boden abgeben.
    Ein raffiniertes System, entwickelt aus dem, was die Feuerinsel und ihre Bewohner eben nicht nur optisch prägt: Lava und Vulkanasche.

    Selbst in die Musik hat der Feuerteufel, el diablo de Timanfaya, Einzug gehalten, und wie die Bauern haben auch Kleinhändler den Nutzen der schwarzen Steine für sich entdeckt, Ketten aus schwarzen Lavakugeln, Ringe, Broschen und Armbänder mit Lavasteinen besetzt, auf Lanzarote sind solche Schmuckstücke überall zu finden, und in den Magmabrocken haben findige Schatzsucher gar einen Halbedelstein entdeck - Olivina.

    "Now I show you a big stone of Olivina.”"

    Der Geologe Mauro aus dem Informationszentrum des Naturparks kennt die Begehrlichkeiten der Touristen genau, ein Halbedelstein, den man einfach so am Strand finden kann? Tatsächlich, im Besucherzentrum liegt zu Demonstrationszwecken ein besonders großes Exemplar:

    Vor einem Schaukasten zeigt er auf zwei dunkle Steine in der Größe etwa zweier Schuhkartons:

    ""Es ist ein sehr schwerer Stein, denn es ist eine sehr kompakte Materie, das hier ist Basalt, Basalt ist ein schwerer Stein mit viel Eisen, jetzt nimm das.".


    Wahrlich auch im Vergleich zum Basalt-Brocken ein schwerer Stein, Olivina, ein gesteinsbildendes Material, wie Mauro noch erklärt, ein Mineral, das einen großen Teil des äußeren Erdmantels ausmacht:

    "Alles an Olivina, was Du entdeckst, ist von dieser Schicht hier."

    Bricht ein Vulkan aus, so wird er vor allem aus dem Magma dieser olivinhaltigen Schicht gespeist, - und Jahrhunderte später von Touristen und Schmuckherstellern womöglich wieder aus dem Stein geklopft.

    Olivina, aus der glühenden Erde entstanden, ein Halbedelstein, den jeder finden kann, der nur die Augen aufmacht. Aber auch wer keine Lust auf Schatzsuche hat, wird fündig, Olivinas zu Schmuck verarbeitet findet man auf jedem Markt der Insel.

    Und neben Ständen mit Lava- und Olivinaschmuck sind hier die Tanzgruppen zu bestaunen, glitzernd geschminkte und in knappen Kostümen tanzende junge Frauen. die sich zu heißen Sambarhythmen bewegen. Einst von zurückgekehrten Emigranten aus der Karibik und aus Südamerika mitgebracht, hat diese Art zu feiern sich zur Tradition entwickelt. Und da begegnet uns zur Karnevalszeit auch wieder der Teufel, kostümierte Jungen und Männer mit gehörnten Masken und zahlreichen Glöckchen am Gewand, - mit dem Feuerteufel allerdings – dem diablo del fuego - haben sie nicht so viel zu tun, vielmehr ziehen sie durch die Inseldörfer, um die bösen Geister zu vertreiben, aber wer weiß, vielleicht vertreiben sie auch den Feuerteufel, den Bewohnern Lanzarotes bleibt es zu wünschen!