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Großbritannien fürchtet um Bedeutungsverlust in der Außenpolitik

Der britische Premierminister David Cameron hat seine Niederlage gestern selbst eingestanden – und akzeptiert. Befürworter einer Militäraktion befürchten nun eine außenpolitische Isolation Großbritanniens. Auch die Beziehung zu den USA könnte diese Entscheidung belasten.

Von Jochen Spengler |
    Kurz vor Mitternacht wurde die Niederlage für den Premierminister verkündet. 13 Stimmen fehlten, auch weil 30 Parteifreunde gegen ihn stimmten. Nicht erst bei der in der nächsten Woche geplanten entscheidenden Abstimmung über Krieg und Frieden, sondern schon bei dem eher symbolischen Votum gestern Abend. David Cameron gestand seine Niederlage unumwunden ein:

    "Es ist heute Nacht für mich sehr klar, weil das Haus keinen Antrag angenommen hat, dass das britische Parlament, das die Ansichten des Volks widerspiegelt, keine britische Militäraktion sehen möchte. Ich habe das verstanden und die Regierung wird entsprechend handeln.""

    Die Konsequenz erläuterte Verteidigungsminister Philip Hammond wenig später:

    "Es ist jetzt klar, dass wir nicht Teil irgendeiner militärischen Aktion sein werden – auch nicht einer Planung oder Debatte darüber mit den USA. Das wird natürlich einige Flecken auf der ‚special relationship‘ hinterlassen."

    Am Tag danach richtet sich der Fokus der öffentlichen Debatte darauf, was Camerons Niederlage für die Stellung Großbritanniens in der Welt und für den Premierminister selbst bedeutet. Die Zeitungen schreiben von einer Demütigung Camerons, schließlich ist es in der jüngeren Geschichte ohne Beispiel, dass ein Premier in der Frage von Krieg und Frieden eine Parlamentsniederlage einstecken musste. Der Kontrollverlust in der Außenpolitik, werde den Einfluss des Vereinigten Königreichs herabsetzen, meint etwa Paddy Ashdown, der frühere Bosnien-Beauftragte und die Graue Eminenz der Liberaldemokraten

    "Das hat eine tief gehende Auswirkung auf unser Land. Es verringert seinen Einfluss gewaltig. Heute morgen jubelt Präsident Assad, Präsident Putin und der Führer der Unabhängigkeitspartei Nigel Farage, wenn er sieht, dass dieses Land am Rande der Isolation taumelt. Nein ich glaube nicht, dass das gut ist für unser Land."

    Auch der konservative Schatzkanzler George Osborne gibt zu Bedenken:

    "Das ganze Land sollte sich nun fragen, welche Art Land wir sein wollen. Wollen wir eines sein, das mitbestimmt, wie diese Welt regiert wird und welche Regeln sie hat, etwa hinsichtlich der Chemiewaffen, oder wollen wir damit nichts zu tun haben."

    Anders sieht dies der Labour-Oppositionsführer Ed Miliband, der mitverantwortlich für Camerons Niederlage war.

    "Das Parlament hat für das britische Volk gesprochen, das tief besorgt ist über den Giftgaseinsatz in Syrien, das aber will, dass wir die Lektionen des Irak-Krieges lernen. Es will nicht in einen Krieg stürzen. Und die andere Lektion von gestern Nacht ist: Großbritannien braucht keine impulsive, rücksichtslose Führung, sondern eine ruhige und besonnene."
    Das würden jene konservativen Abgeordneten, die gestern ihrem Parteichef die Gefolgschaft verweigerten, so nicht unterschreiben. Dennoch plagt sie heute keineswegs ein schlechtes Gewissen. John Baron ist einer ihrer Anführer:


    "Es ging hier nicht um die Parteiführung – dies war für viele von uns eine Schlüsselfrage der Außenpolitik. Wir hätten riskiert, eine schlechte Situation in Syrien durch eine Intervention noch sehr viel schlimmer zu machen."