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Grossbritannien
Mehr Flughafen für London

London hat fünf Flughäfen, aber das reicht nicht, um die wachsende Nachfrage zu bedienen. Der mit Abstand wichtigste Airport ist Heathrow, der zu 98 Prozent ausgelastet ist - jede kleine Störung führt zu enormen Verspätungen. Eine vom Parlament eingesetzte Expertenkommission soll das Problem lösen - ist davon aber noch weit entfernt.

Von Jochen Spengler | 17.12.2013
    Es gibt derzeit kaum ein größeres politisches Minenfeld in Großbritannien als die Zukunft des Luftverkehrs. Vor allem der Ausbau Heathrows ist umstritten - insbesondere in der regierenden konservativen Partei und in der Bevölkerung. Kein Monat ohne Protestveranstaltung in Westlondon.
    Die Jets fliegen Endlosschleifen über der Metropole, um im Zwei-Minuten-Takt in Heathrow zu landen; schon jetzt ist die Lärm- und Luftbelastung für die eine Million Westlondoner höher als anderswo in Europa. Unter innerparteilichem Druck hat Premierminister David Cameron vor seiner Wahl versprochen: Keine dritte Landebahn in Heathrow. Doch mit der heutigen Empfehlung der Kommission unter Leitung von Sir Howard Davies ist Heathrow wieder auf der Tagesordnung.
    "Wir glauben, dass die Nachfrage im Luftverkehr wachsen wird und wir unter dem Strich eine zusätzliche neue Rollbahn benötigen bis zum Jahre 2030. Das bedeutet, entweder eine Neue in Heathrow zu bauen oder eine in Gatwick."
    Etliche Projekte hat die Kommission geprüft; am Ende sind zwei Standorte und drei Optionen geblieben. Im südlich von London gelegenen Gatwick könnte man ein zweites Rollfeld errichten oder aber sich auf Heathrow zu konzentrieren. Dort hat man die Wahl: entweder eine neue Nordwest-Startbahn zu bauen oder eine der beiden vorhandenen auf 6 Kilometer Länge zu verdoppeln, sodass auf ihr zur selben Zeit gestartet und gelandet werden kann. Colin Matthews, Chef von Heathrow zeigte sich erfreut:
    "Das sind gute Nachrichten für die britische Wirtschaft, dass die Kommission die Bedeutung von globalen Verbindungen erkennt; es ist wichtig, dass Geschäftsleute direkt jene Teile der Welt erreichen, wo es die Wachstumsmärkte gibt. Dafür braucht es eine Drehscheibe und die gibt es nur in Heathrow."
    Auch Boris Johnson, der konservative Bürgermeister von London, legt Wert auf die Drehscheibenfunktion, weswegen er nichts hält vom Ausbau Gatwicks, das von weit weniger Airlines angeflogen wird. Noch schlimmer aber wären für ihn die Heathrow-Optionen, die weitere Umwelt-Belastungen und die Zerstörung von etlichen Wohnsiedlungen zur Folge hätten.
    Beide Möglichkeiten sind verrückt - da müsste man die Landebahnen über die Autobahnring 25 führen und diese lebenswichtige Verkehrsader für wahrscheinlich fünf Jahre schließen. Das kostet Dutzende Milliarden, und wenn man es dann 2030 geschafft hat, wird man gleich über ein viertes Rollfeld nachdenken müssen.
    Johnsons Alternative: ein ganz neuer Flughafen - östlich von London in der Themsemündung aufgeschüttet mit vier Start- und Landebahnen und zwei Terminals. Heathrow dagegen soll platt gemacht und auf seinem Gelände eine neue Stadt errichtet werden.
    Noch ist das eine Utopie, die sehr viel weniger konkret ist, als die Ausbaupläne der bestehenden Airports; zu Johnsons Erleichterung aber hat Kommissionschef Davies seine Idee noch nicht vom Tisch gewischt:
    "Wir haben entschieden, dass wir - wenn wir fair gegenüber diesem Vorschlag sein wollen - noch mehr Zeit brauchen, um ihn zu prüfen: die Umweltaspekte und die Kosten. Es scheint uns, dass wir hier über 120 Milliarden Euro reden, was vier-, fünfmal so teuer wäre wie der Ausbau von Heathrow, aber wir müssen noch etwas Arbeit investieren, um das in den nächsten Monaten auszuloten."
    Noch also hat die Politik eine Atempause. Ihre endgültige Empfehlung will die Kommission nach der Wahl 2015 abgeben. Solange ist der absehbare Machtkampf um Heathrow zwischen den beiden wichtigsten Politikern der Tories - zwischen Premierminister David Cameron und seinem möglichen Nachfolger Boris Johnson - aufgeschoben.