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Großbritannien muss weiter sparen

Durch drastische Haushaltskürzungen wollte Schatzkanzler George Osborne die jährliche Neuverschuldung extrem senken. Doch immer noch beträgt die britische Staatsverschuldung 120 Milliarden Pfund. Deshalb kündigte Osborne für 2015 nun weitere Einsparungen von 11,5 Milliarden Pfund an.

Von Jochen Spengler |
    Als George Osborne sein Amt 2010 antrat, da versprach er, bis zum Ende der Legislaturperiode das Haushaltsdefizit von gewaltigen 11 auf unter 3 Prozent zu senken. Im Jahre 2015 wollte er die jährliche Neuverschuldung von 159 Milliarden auf noch 18 Milliarden Pfund heruntergefahren haben. Sein Mittel: drastische Haushaltskürzungen. Genau davor aber hat Ed Balls, sein sozialdemokratischer Gegenspieler von der Labourparty, immer gewarnt; mit einem zu drastischen Sparkurs würge der Schatzkanzler die Konjunktur ab. Heute klopft sich Balls ständig selbst auf die Schulter:

    "Der Kanzler hat vor drei Jahren gesagt, er werde, indem er stärker die Ausgaben kürze, das Defizit verringern, was zu Wachstum führen werde. Tatsächlich stecken wir nun auf der Intensivstation, weil sein Plan misslungen ist. Das Ergebnis: Er muss sich Milliarden mehr leihen."

    Osborne wird sein Ziel klar verfehlen. Das Defizit ist zwar um ein Drittel gesunken, beläuft sich aber derzeit immer noch auf 120 Milliarden Pfund. Der Berg der Staatsverschuldung wächst stetig und befindet sich derzeit bei 1,13 Billionen Pfund. Was bedeutet, dass jeder britische Haushalt theoretisch mit mehr als 45.000 Euro in der Kreide steht.

    Ein Betrag, der sich weiter erhöhen wird, denn auch im Jahr 2015 wird der Staat statt der ursprünglich geplanten Neuverschuldung von 18 Milliarden Pfund fast 100 Milliarden mehr aufnehmen müssen, um seine Ausgaben zu decken. Großbritannien hat sein Triple-A-Rating verloren, die Inflation liegt bei 2,7 Prozent. George Osborne macht vor allem die Weltwirtschaft und die Eurokrise verantwortlich und verweist auf zarte Erfolge:

    "Ich glaube, dass wir uns nun von der Rettung zur Erholung bewegen, und das sehen sie daran, dass die Wirtschaft wächst und die Arbeitslosigkeit sinkt. Aber ich bin der Erste, der sagt, dass das Defizit immer noch zu hoch ist. Und darum geht es in dieser Woche: Wir müssen weitermachen mit den schwierigen Entscheidungen und den Ausgabenkürzungen."

    Heute wird der Finanzminister für das Wahljahr 2015 zusätzliche Einsparungen von 11,5 Milliarden Pfund verkünden. Da im Sozialhaushalt schon gekürzt wurde und weil Gesundheitswesen, Schulen und die Entwicklungshilfe Tabu sind, müssen andere bluten. Vor allem die Gemeinden, die mit 9 Prozent weniger Geld auskommen sollen; das Innenressort mit Polizei, Geheimdiensten und Grenzschutz sowie das Verkehrsministerium werden jeweils mehr als 6 Prozent einsparen; vergleichsweise glimpflich ergeht es dem Verteidigungsressort.

    "Die Anzahl der Zivilbeschäftigten muss sinken, wir werden auch mit einigen Ausrüstern die Verträge neu aushandeln müssen, aber es wird keine Reduzierung unserer militärischen Fähigkeiten, der Matrosen, Soldaten und Kampfflieger geben."

    Denn das geht auch kaum mehr. Luftwaffe und Marine haben in den letzten Jahren bereits 10.000 Soldaten entlassen, und es ist beschlossen, dass die Armee in diesem Jahrzehnt um 20.000 Mann verkleinert wird. Die Lage ist so ernst, dass die Labourpartei angekündigt hat, bei einem Wahlsieg in zwei Jahren, die Haushaltskürzungen nicht rückgängig machen zu können. Allerdings fordert Ed Balls:

    "Gerade jetzt, in diesem und im nächsten Jahr, sollte der Kanzler zehn Milliarden in die Hand nehmen für Wohnungs- und Straßenbau, um die Wirtschaft zum Wachsen zu bringen, mehr Steuereinnahmen zu erzielen, das Defizit zu senken und den Einspardruck zu vermindern."

    Vermutlich wird George Osborne der Opposition den Wind aus den Segeln nehmen. Denn angeblich will er allein für 2015 Infrastrukturprojekte mit einer Investitionssumme von 50 Milliarden Pfund ankündigen. Schon 2012 hat der britische Staat mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts investiert – Deutschland kommt nur auf vergleichsweise bescheidene 1,5 Prozent.