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Große Empörung in Brüssel

Die Wut über die vermeintliche Bespitzelung von EU-Behörden durch den US-Geheimdienst NSA ist groß. Einige EU-Abgordnete fordern, die Verhandlungen für das Freihandelsabkommen auf Eis zu legen, andere wollen Edward Snowden in der EU Asyl gewähren.

Von Annette Riedel | 01.07.2013
    Die Abgeordneten des EU-Parlaments sind über alle Fraktionen hinweg zumindest enttäuscht, meist aber empört, ob der Vermutung, die EU-Institutionen könnten im großen Stil vom amerikanischen Geheimdienst abgehört worden sein.

    "Wenn das so ist, dann ist das ein Skandal allererster Güte, wenn man in einem befreundeten Land als befreundete Macht nicht sicher sein kann, abgehört zu werden – das sind ja Dinge, die kannte man früher aus dem Ostblock."

    US-Parlamentspräsident Schulz heute morgen in unserem Programm. Andere, namentlich Daniel Cohn-Bendit von den Grünen, regten an, dem Ex-Geheimdienstler und Whistleblower Edward Snowden, der mit seinen Enthüllungen den Stein ins Rollen gebracht hatte, in der EU Asyl zu gewähren.
    Es wurden auch Forderungen laut, das bestehende Fluggastdatenabkommen, mit dem die USA Zugriff auf Daten von Flugreisenden bekommen, zu überprüfen oder aufzukündigen, sollten die Vorwürfe gegenüber dem US-Geheimdienst NSA sich als zutreffend erweisen. Gleiches gilt für das SWIFT-Abkommen, mit dem Kontoinformationen an die USA weitergegeben werden. Der grüne EU-Abgeordnete Jan-Philip Albrecht sieht die Grundlage für diese Abkommen infrage gestellt.

    "Ich glaube, dass das vor allem im Vertrauen darauf geschehen ist, dass wir diese Abkommen angenommen haben, das die Vereinigten Staat ähnlichen Werten folgen wie wir. Und das ist jetzt sehr infrage gestellt."

    Auch die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen EU und USA, bei denen man am Anfang steht, gehörten ausgesetzt, finden einige Abgeordnete - findet Parlamentspräsident Schulz nicht unbedingt.

    "Ob man das Freihandelsabkommen auf Eis legen soll, das weiß ich nicht. Ich glaube, man muss in dieses Freihandelsabkommen hineinverhandeln: verbindliche datenschutzrechtliche Elemente."

    Einen Untersuchungsausschuss im EU-Parlament, wie von einigen ins Spiel gebracht, wird es nach Martin Schulz’ Einschätzung aus juristischen und praktischen Gründen nicht ohne Weiteres geben können, wahrscheinlicher wäre die Einrichtung eines Sonderausschusses.

    Von Seiten der EU-Kommission war bis zu unserer Sendung keine Stellungnahme zu bekommen. Lediglich Vize-Kommissionspräsidentin Ashton, zuständig für die EU-Außenbeziehungen, hat gestern verbreiten lassen, dass sie bereits Kontakt mit den US-Behörden aufgenommen habe, um Klarheit darüber zu bekommen, ob und in wieweit die Vorwürfe zutreffen. Die US-Behörden hätten ihr versichert, dass man so schnell wie möglich Erkenntnisse liefern werde. Sie sei besorgt, aber würde sich vorläufig weiterer Kommentare enthalten, bis die Sache klar sei, schrieb Asthon.

    "Ich glaube, hier haben die Autoritäten in den USA ihre Geheimdienste nicht unter Kontrolle. Das ist klar. Ich hoffe auch, dass unter dem Sammelbericht 'Kampf gegen den Terrorismus' nicht alles erlaubt wird."

    Und, der luxemburgische Außenminister Asselborn fügte seinen Äußerungen von gestern Abend noch hinzu, dass die EU und ihre Diplomaten schließlich keine potenziellen Terroristen seien, und sprach von Vertrauensbruch der USA. So ginge man nicht mit den engsten Partnern, die die USA haben, um, findet Parlamentspräsident Schulz.

    "Ich werde sicher mit dem amerikanischen Botschafter darüber telefonieren."