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Große Glotze, kleiner Fortschritt

In Berlin findet derzeit wieder die Internationale Funkausstellung statt, die Leitmesse für Unterhaltungselektronik schlechthin. Das Zusammenwachsen der verschiedenen Medien und Übertragungskanäle beherrscht auch dort überall die Diskussionen über neue Technologien für Audio und Video.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Marieke Degen |
    Manfred Kloiber: Für uns vor Ort in den Hallen unter dem Funkturm ist Marieke Degen. Frau Degen, was hat sich seit der letzten IFA getan?

    Marieke Degen: Revolutionäre Entwicklungen hat es keine gegeben, aber das HD-Fernsehen entwickelt sich kontinuierlich weiter. Zum Beispiel sind die Bildschirme qualitativ besser geworden, und sie sind auch günstiger als noch 2006. Bis zum Ende dieses Jahres wird es um die sechs Millionen Flachbildschirme in deutschen Haushalten geben, fast alle davon sind HD-tauglich, die großen mit mehr als 26 Zoll sind es inzwischen in der Regel alle. Auch die Empfangsgeräte haben sich weiterentwickelt. HDTV wird in Deutschland ja hauptsächlich über Satelliten betrieben, und solche Satelliten-Empfänger sind jetzt endlich auf dem Markt und werden auch ganz gut angenommen. Die meisten Hersteller bieten inzwischen auch Komplettgeräte an, also Bildschirme mit eingebautem Empfänger. Neuigkeiten gibt es auch in Sachen Blu-ray und HD-DVD. Da wurden hier auf der IFA Hybrid-Player vorgestellt, die beide HD-Formate unterstützen.

    Kloiber: Warum müssen wir in Deutschland weiterhin auf den Durchbruch warten?

    Degen: Um Bilder in HD-Qualität empfangen zu können, müssen erstmal Sendungen in HD produziert und auch ausgestrahlt werden. Das passiert in Deutschland noch viel zu wenig, was vor allem daran liegt, dass die Datenmengen enorm sind und dass der Datenverkehr für die Sender sehr teuer ist. Es gibt in Deutschland zurzeit nur fünf HDTV-Sender, zum Beispiel von Premiere oder Sat 1, die Öffentlich-Rechtlichen sind nach wie vor nicht vertreten. Jetzt während der Funkausstellung präsentiert Eins Festival, das ist der digitale Kulturkanal der ARD, 70 Filme in HD-Qualität, das Ganze ist aber nur ein Testlauf. Immerhin haben ARD und ZDF aber konkrete Pläne, wann sie HDTV einführen wollen, und zwar ab 2010, rechtzeitig zu den olympischen Winterspielen in Vancouver.
    Kloiber: In den USA und Japan ist HDTV längst Realität. Hinkt Deutschland dem Rest der Welt hinterher?

    Degen: Die USA und Japan haben eines gemeinsam: ihr ursprüngliches Fernsehsystem hat extrem schlechte Bilder verbreitet. Deswegen haben sie vergleichsweise schnell auf HDTV umgestellt. Die Bildqualität in Deutschland war schon immer recht gut, deshalb ist das nicht unbedingt nötig. Ich habe darüber auch mit dem geistigen Vater der DVB-Standards gesprochen, mit Ulrich Reimers von der Technischen Universität Braunschweig, und der ist der Ansicht, dass sich HDTV in Deutschland angemessen entwickelt, auch wenn unsere europäischen Nachbarn zum Teil schon weiter sind. In England gibt es schon viele Sendungen in HDTV und in Frankreich gibt es starken politischen Druck, HDTV einzuführen. Davon wiederum profitiert auch Deutschland, denn es gibt ja den gemeinsamen Kanal Arte, und der hat laut Reimes in große Fortschritte in Richtung HDTV gemacht. Das wird wahrscheinlich auch die Entwicklung von HDTV in Deutschland vorantreiben wird.

    Kloiber: England zum Beispiel will in Zukunft HD-TV auch über terrestrische Frequenzen senden. Gerade wird eine zweite Generation von DVB-T entwickelt. Was hat es damit auf sich?

    Degen: DVB-T2, das heißt vor allem eine höhere Datenrate. Besonders die Briten sind an dieser neuen Generation interessiert, weil sie auf lange Sicht das hochauflösende Fernsehen nicht über Satellit, sondern terrestrisch vertreiben wollen. Im Lauf der nächsten Jahre werden immer mehr terrestrische Frequenzen frei, und die sollen dann speziell für HDTV genutzt werden. Und zwar ist die Kombination aus DVB-T2 und einer neuen Video-Codierung entscheidend, dem mpg4. Damit kann das Videosignal wird in seiner Datenrate so verringert, dass der Mensch geradeso keine Störung sieht und man mit einer geringen Datenrate das Programm übertragen kann. Das heißt, dass man pro Fernsehkanal auch mehr Programme unterbringen kann.

    Kloiber: Wird es DVB-T2 auch in Deutschland geben?

    Degen: Wahrscheinlich nicht. In Deutschland ist HDTV fast ausschließlich über Satellit, also DVB-S, zu empfangen, und vielleicht auch bald über Kabel. DVB-T hat hierzulande andere Aufgaben, es soll in erster Linie die kleinen Geräte versorgen, also Kabelgeräte oder Laptops oder auch Handys. Für diese kleinen Bildschirme ist das DVB-T der ersten Generation völlig ausreichend, deswegen ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass DVB-T2 hier eingeführt wird. Aber es gibt auch bei der digitalen Satellitenübertragung bereits eine zweite Generation, DVB-S2, das wird bereits eingesetzt, und das ist auch mit mpg4 ausgestattet. Das heißt, die Daten können genauso gut komprimiert werden. In Deutschland ist das also sicher die bessere Lösung.

    IFA 2007