Die Premiere 1853 wurde ein Fiasko. Erst ein Jahr später, nach kleinen musikalischen und dramaturgischen Änderungen, begann der Siegeszug der "Traviata". In Venedig wird jetzt unter der musikalischen Leitung von Lorin Maazel zum ersten Mal wieder die Urfassung von 1853 gespielt. Auch der Regisseur Robert Carsen orientiert sich an Verdis ursprünglicher Absicht, mit Gegenwartskostümen die Zeit gleichsam ungeschminkt auf die Bühne zu bringen, und verlegt die Handlung in unsere Gegenwart. Alles dreht sich um Liebe, Geld und Drogen.
Robert Carsen zeigt die Handlung des ersten Aktes in einem Pariser Luxusbordell. Patrizia Ciofi als Violetta nähert sich Roberto Saccà als Alfredo in einem raffiniert schwarzen Nachthemd. Auch die Tanzeinlagen und der Maskenball lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die Regie zeigt die ganze Vulgarität einer korrupten Gesellschaft. Schon konnte man in der Presse in ersten Premierenkritiken von der "sexy Traviata" lesen. Sergio Segalini verteidigt die dramaturgische Linie der Aufführung:
Ich glaube nicht, dass man von einer "sexy Traviata" sprechen kann. Aber man muss es auch klar sagen, welchem Gewerbe ging denn die Traviata nach? Es ist vom ersten Augenblick an klar, dass es eine Frau ist, die sich verkauft, also eine Prostituierte, wie wir heute sagen würden. Wir haben, glaube ich, das Libretto der Traviata sehr ernst genommen.
Mit dieser aktualisierten Aufführung, die einen erfrischenden Kontrast zum glänzenden Gepränge des neuen alten Barocktheaters bildet, wird endlich auch der Opernbetrieb in der wieder aufgebauten Fenice aufgenommen. Fast noch spannender als die Frage nach der Regie war also die nach der Akustik. Wie würde die Fenice klingen? Jürgen Reinhold vom Münchener Fachunternehmen Müller BBM, zeichnet für die Raumakustik verantwortlich.
Man weiß von den italienischen Rangtheatern, dass sie tendenziell immer sehr trocken sind, dass die Musik wenig klingt. Eine Eigenschaft, die man heute für eine Oper nicht mehr so liebt. Die Tendenz ist also ganz klar zu einem mehr klingenden Raum, wie man das bei Neubauten auch macht. Und das war eigentlich eines der Ziele, die wir verfolgt haben in der Planung und, denke auch, erreicht haben.
In ersten Kritiken waren sich alle einig, die neue Fenice klingt besser als die alte. Und noch ein Problem scheint gelöst: In den vergangenen Jahren war es dem venezianischen Opernhaus gelungen, durch niedrige Preise und spannende Spielpläne ein neues, vielfach junges Publikum ins Theaterzelt auf die Tronchetto-Insel zu locken. Wird man dieses Publikum halten können? Intendant Giampaolo Vionello stimmen die neusten Abbonementszahlen zuversichtlich:
Vielleicht hat uns ja der strahlende Wiederaufbau geholfen, es ist uns jedenfalls gelungen, das Publikum der letzten Jahre zu behalten und zusätzlich ein internationales Publikum zu gewinnen.
Wenn auch Violetta schließlich sterben muss - das Teatro la Fenice zeigt sich im neuen alten Haus mit dieser Traviata lebendig wie selten zuvor.