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Große Show

Untersuchungsausschüsse sind die schärfste Waffe der Opposition zur Aufklärung von Missständen. Sagen die einen. Sie sind die Fortsetzung des politischen Hickhacks mit anderen Mitteln. Sagen die anderen. Beides ist auf seine Weise richtig.

Von Peter Zudeick |
    So unglaublich das klingt: Es hat in der Geschichte der Bundesrepublik tatsächlich Ausschüsse gegeben, bei denen etwas herausgekommen ist. Vom Mai 1956 bis zum Mai 1957 beschäftigte sich ein solcher mit Unregelmäßigkeiten in der Einfuhr- und Vorratsstelle für Fette. Die konnten aufgeklärt werden. Und auch der Ausschuss zur Untersuchung der Grubenkatastrophe auf der Zeche Dahlbusch in Gelsenkirchen konnte im September 1950 nach zweimonatiger Tätigkeit seine Akten zur allseitigen Zufriedenheit schließen. Als freilich, ebenfalls 1950, ein Bestechungsskandal im Zusammenhang mit der Entscheidung für die Hauptstadt Bonn aufgeklärt werden sollte, kam nichts heraus.

    Je mehr Übung das Bonner Parlament mit dem Instrument Untersuchungsausschuss bekam, um so untauglicher wurde es allerdings. Denn bald erkannten beide Seiten, dass man damit wunderbar Parteipolitik machen kann. Zwar gehört der Antrag auf Einsetzung eines solchen Ausschusses zu den klassischen Oppositionsrechten, aber da auch dieses Gremium nach den Mehrheitsverhältnissen im Parlament besetzt wird, geht das Parteiengerangel im Ausschuss in aller Regel munter weiter.

    Immer nach dem Motto: Haust du meinen Zeugen, hau ich deinen. Ob Fibag-Affäre oder Schützenpanzer HS 30, ob Steiner-Wienand oder Guillaume, meist ging es in Untersuchungsausschüssen säuberlich entlang der jeweiligen Regierungs-Oppositions-Linie.

    Unerreichter Klassiker dieses Verfahrens wurde der Flick-Ausschuss, in dem die Koalitionsvertreter (Union und FDP) dafür sorgten, dass die Herren Friderichs und Lambsdorff nicht allzu sehr in Bedrängnis kamen. Ein wunderbares Beispiel für reinen Wahlkampf war der Ausschuss "Neue Heimat", den die Koalitionsfraktionen 1986 einsetzen ließen, obwohl der "Neue Heimat"-Skandal in Hamburg schon umfassend behandelt worden war. Aber die Bundestagswahl 87 stand an, und man brauchte ein Gegengewicht zum U-Boot-Ausschuss, der auch ab 86 tagte, und in dem die Regierung nicht besonders gut aussah.

    Ergebnisse, erst recht Konsequenzen darf man von diesen Unternehmungen also nicht unbedingt erwarten. Was nicht heißt, dass Untersuchungsausschüsse völlig unnütz sind: Zum einen wird ein skandalträchtiger Vorgang in aller Öffentlichkeit verhandelt, das ist schon mal was. Zumal wenn die Beteiligten und die Zeugen prominente Politiker sind. Der Fibag-Ausschuss 1962 zum Beispiel, der sich im Wesentlichen um Franz-Josef Strauß drehte. Der Wörner-Kießling-Ausschuss, in dem sich Verteidigungsminister Wörner, die Führung der Hardthöhe und der Militärische Abschirmdienst um die Wette blamierten. Der Parteispendenausschuss seit 1999, der immerhin ein Ermittlungsverfahren gegen Helmut Kohl nach sich zog. Ergebnis: 300.000 Mark Geldbuße. Auch der Flick-Untersuchungs-Ausschuss führte zu Ermittlungsverfahren gegen die Hauptzeugen, Ende 1983 wurde gegen Friderichs, Lambsdorff und von Brauchitsch sogar Anklage erhoben.

    Zum anderen sind solche Ausschüsse gelegentlich für die Karriere einzelner Abgeordneter höchst nützlich: Rezzo Schlauch machte sich zum Beispiel 1991 einen Namen im Untersuchungsausschuss über Lothar Späths Reiselust. Dieser Ausschuss führte immerhin zum Rücktritt eines Ministerpräsidenten. Auf Bundesebene hat sich Friedrich Bohl als Unionsobmann im U-Boot-Ausschuss so um Kanzler Kohl verdient gemacht, dass sein steiler Aufstieg nicht mehr verhindert werden konnte - bis zum Chef des Kanzleramts. Peter Struck hat sich in eben diesem Ausschuss seinen Vortänzern so nachhaltig empfohlen, dass er über den Parlamentarischen Geschäftsführer zum Fraktionsvorsitzenden aufstieg.

    Otto Schily hat sich im Flick-Ausschuss ewigen Ruhm verdient: Zwar war die Arbeit des Ausschusses durch das parallel laufende Ermittlungsverfahren stark behindert, aber er brachte es doch immer wieder fertig, auch Zeugen, die nichts sagen wollten, zum Reden zu bringen. Weil sich das Auskunftsverweigerungsrecht nur auf den Gegenstand des Ermittlungs- beziehungsweise Gerichtsverfahrens bezieht. Dass man mit einer ausgefeilten Fragetechnik die Zwischenräume ausloten und auch dabei Interessantes zutage fördern kann, das hat nicht zuletzt Otto Schily immer wieder bewiesen.

    Zur Aufklärung beitragen kann ein Untersuchungsausschuss also sehr wohl, aber er kann keine Urteile fällen oder gar Sanktionen verhängen. Die Konsequenz der Flick-Affäre zum Beispiel war zunächst einmal der Versuch der Bonner Parteien, eine Generalamnestie für Parteispenden-Tatbestände zu schaffen. Ohnehin ist Voraussetzung für den Erfolg eines Ausschusses der gemeinsame Aufklärungswille aller Beteiligten. Wie in der Barschel-Pfeifer-Affäre, wo der Landtags-Untersuchungs-Ausschuss tatsächlich die Wahrheit zutage förderte. Das ging nur, weil alle wollten. Dass es dann nur die halbe Wahrheit war, spricht nicht gegen die These vom Erfolg.