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Große Worte, wenig Taten

Einen Ruf als besonders umweltfreundliches Volk haben die Briten nicht unbedingt - aber als Vorreiter des Klimaschutzes sehen sie sich trotzdem. Doch ehrgeizige Klimaschutzziele sind das eine - die konkrete Umsetzung das andere. Und da hapert es in Großbritannien noch recht deutlich.

Von Martin Zagatta | 08.12.2009
    Fast 900 Millionen Euro will das Königreich einzahlen in einen Topf für Klimaschutzmaßnahmen in den Entwicklungsländern. Großbritannien sieht sich als Vorreiter beim Kampf gegen die Erderwärmung, und glaubt man Premierminister Gordon Brown, dann ist sein Land auf dem besten Weg, Irland den Titel "grüne Insel" streitig zu machen.

    Er sei der erste Regierungschef gewesen, der angekündigt hat, nach Kopenhagen zu kommen, und Großbritannien sei das erste Land, das ein Klimaschutzgesetz mit verbindlich vorgeschriebenen Verringerungen des Schadstoffausstoßes erlassen hat, rühmt sich der Premierminister. Die im vergangenen Jahr verabschiedete Regelung sieht vor, die Emissionen bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent zu senken, eine Vorgabe, die aber selbst Professor Dieter Helm von der Universität Oxford, der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats des Umweltministeriums, nicht überbewerten will:

    "Es ist wirklich einfach, sich zu einer 80-Prozent-Verringerung bis 2050 zu verpflichten. So ein Versprechen kann jeder abgeben. Der wirkliche Lackmustest ist doch, wie Politiker das angehen. Und, wie zuletzt geschehen, neue Startbahnen zu genehmigen für mehr Flugverkehr, bewirkt das Gegenteil. Man gibt solche Langzeitversprechungen ab , aber in Wirklichkeit machen wir doch Rückschritte."

    Die Labour-Regierung hat dem umstrittenen Ausbau des Londoner Großflughafens Heathrow zugestimmt. Britische Autos blasen besonders viele Abgase in die Luft, und die Wohnungen auf der Insel sind zumeist zugig, weit schlechter gedämmt als auf dem Kontinent. Seit das Nordsee-Öl zur Neige geht, verspricht die Regierung, die Insel zum "Saudi Arabien der Windkraft" zu machen. Sie hinkt aber den eigenen Vorgaben, deutlich weniger Schadstoffe zu produzieren, trotz der Wirtschaftsflaute weit hinterher, wie David Kennedy, der Chefs des britischen Klimarats, einräumen muss:

    "Wir haben unseren Schadstoffausstoß nur ganz bescheiden verringert. Die CO-2-Erzeugung um 0,5 Prozent nur zuletzt. Laut Vorgaben hätten wir das um das Sechsfache verbessern sollen in den letzten fünf Jahren."

    Großbritannien verfügt über kein Endlager, hat jetzt aber den Bau neuer Kernkraftwerke beschlossen. Und bis 2020 sollen rund 30 Prozent des Stroms aus Wind und Wasserkraft stammen, obwohl die Insel bisher mit einem Anteil von nur sechs Prozent an erneuerbaren Energien zu den Schlusslichtern in der EU zählt. Eine Öko-Wende sollen Windparks vor den britischen Küsten bringen. Weil deren Ausbau aber so schleppend angelaufen ist, hat das dänische Unternehmen Vestas die einzige britische Fabrik für den Bau von Windkraftanlagen wieder geschlossen. Das Königreich könne die Kehrtwende nur schaffen, wenn wesentlich mehr Geld in saubere Energien investiert wird, meint Dieter Helm, der Beiratsvorsitzende des Umweltministeriums, und wenn den Briten jetzt trotz der bevorstehenden Unterhauswahl reiner Wein eingeschenkt werde:

    "Klimawandel ist ein lebensbedrohliches Ereignis, das uns zum schnellen Handeln zwingt: Man kann es sich einfach nicht leisten, nun nur zu sagen: oh je, wir können die Wähler jetzt nicht erschrecken mit den Kosten."