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Großer Preis für kleine Teilchen

Nobelpreis. - Nach der Verleihung des Nobelpreises für Medizin am Montag erwartete heute die Fachwelt mit Spannung, welche Wissenschaftler auf dem Gebiet der Physik das "große Los" ziehen würden. Erneut geht die Ehrung an drei Forscher aus der Neuen Welt. Die US-Physiker David Gross, David Politzer und Frank Wilczek konnten mit ihren Arbeiten wesentlich zur Vorstellung der innersten Kräfte in der Materie beitragen.

    Geht ein Nobelpreis an einen Amerikaner, dann erreicht ihn die Mitteilung stets zu sehr früher Stunde. Doch die drei US-Amerikaner David Gross, David Politzer und Frank Wilczek dürften angesichts der ihnen zuteil werdenden Ehrung in Physik verschmerzt haben, von den Boten der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften aus dem Bett oder der Dusche geholt worden zu sein. "Ich muss mich erst abtrocknen und dann werde ich mal am MIT vorbeischauen, die werden dort sicher etwas vorbereitet haben", scherzte Frank Wilczek vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge/USA. Alle drei Forscher teilen ein leidenschaftliches Interesse: die Physik kleinster Teilchen. Der diesjährige Physiknobelpreis ehrt ihre Arbeiten zu einem bestimmten Aspekt der kleinsten bekannten Partikel, den so genannten Quarks. David Gross, David Politzer und Frank Wilczek entwarfen schon 1973 - also teils noch in sehr jungen Forscherjahren - ein Modell zu jenen Kräften, mit denen jeweils drei Quarks zu einem Proton oder Neutron zusammengehalten werden.

    Die Bauklötze der Materie, die Atome, enthalten in ihrem Kern die beiden Nukleonen Proton und Neutron - bis auf den Wasserstoff, dessen Kern allein aus einem Proton besteht. Doch auch diese Kernteilchen bestehen aus noch kleineren Einheiten, den so genannten Quarks. Sie bilden nach heutigem Stand die kleinsten Partikel überhaupt. Je drei Quarks von unterschiedlich gepolter Ladung ergeben, je nach Zusammensetzung, ein Protron oder Neutron. Doch welche Kraft, so rätselten die drei Physiker, sorgt dafür, dass die Triumvirate nicht einfach auseinanderbröckeln. Dabei heraus kam schließlich die Theorie von der so genannten "starken Kernkraft" oder auch "Farbkraft". Im Gegensatz zu den anderen drei bekannten Grundkräften der Natur, also schwache Wechselwirkung, elektromagnetische Kraft und Gravitation nimmt der Effekt der starken Kernkraft mit der Zunahme der Entfernung drastisch zu, während die anderen Kräfte im Abstand immer weiter schwinden.

    Das Modell, das Gross, Politzer und Wilczek ersannen, lässt sich vorstellen als drei Bälle, die durch Gummibänder untereinander verbunden sind. "Liegen sie dicht beieinander, "merken" sie von ihren elastischen Fesseln fast nichts. Doch je weiter sie auseinander gezogen werden, desto straffer spannen sich die dehnbaren Bänder und tritt starke Wechselwirkung in Erscheinung", veranschaulicht David Gross, heute am Kavli Institut für Theoretische Physik an der Universität von Kalifornien. Besonders wichtig an dieser Vorstellung war der Aspekt der großen Freiheit der Quarks, wenn sie nahe beieinander liegen, denn erst damit bestand die Möglichkeit einer praktischen Überprüfung des Modells in Ringbeschleunigern. Zahlreiche Experimente beleuchteten seither die Natur der Elementarteilchen und ihrer Wechselwirkungen und ebneten den drei US-Physikern den Weg zur Krone unter den wissenschaftlichen Auszeichnungen.

    [Quelle: Frank Grotelüschen]