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Großes Krabbeln auf Bioböden

Landwirtschaft. - Schweizer Landwirtschaftsexperten haben eine landläufige Meinung über den ökologischen Landbau auf ein wissenschaftlich solides Fundament gestellt: In biologisch bewirtschaften Feldern ist das Bodenleben reicher als in konventionellen und sorgt für eine höhere Bodenfruchtbarkeit. In der aktuellen Ausgabe von "Science" berichten die Schweizer über ihren inzwischen 21 Jahre dauernden Langzeitversuch.

    Von Sabine Goldhahn

    Wir begasen Bodenproben mit Chloroform, um den größten Teil der Mikroorganismen abzutöten. Durch die Begasung lösen sich die Zellwände auf und der Zellinhalt wird dadurch extrahierbar. Wir fügen nachher zu der Bodenprobe das Extraktionsmittel, eine Kalisulfatlösung, hinzu. Und damit extrahieren wir alle Kohlenstoffverbindungen, die in der mikrobiellen Biomasse vorhanden sind.

    Alltagsarbeit für Andreas Fließbach. Am Institut für biologischen Landbau im schweizerischen Frick untersucht der Mikrobiologe, ob der Boden von ökologisch bearbeiteten Feldern wirklich gesünder ist als der von herkömmlichen Äckern. Ein wesentlicher Schritt dazu ist die Bestimmung der mikrobiellen Biomasse, also der Gesamtmenge an Algen, Bakterien und Pilzen. Die mikrobielle Biomasse ist nach Ansicht des Forschers der Motor aller Umsetzungsprozesse im Boden. Die treibende Kraft für den Abbau organischer Substanzen wie Dung bis hin zur Freisetzung von Nährstoffen wie Nitrat, Phosphor oder Ammonium. Wenn ein Boden nun besonders viel Biomasse enthält, wie die ökologisch bearbeiteten Felder, dann ist er auch besonders fruchtbar. Und wirft besonders gute Erträge ab. Das liegt aber weniger am bloßen Vorhandensein der Mikroben, als vielmehr an ihrer Aktivität. Fließbach:

    Man hat festgestellt, dass die Mikroorganismen verkittende Substanzen bilden, die die einzelnen Bodenteilchen miteinander verknüpfen zu einem strukturstabilen Aggregat.

    Äußerlich sichtbar als lockerer Bodenkrümel. Und der hält der physikalischen Kraft eines Regengusses viel eher stand als ein Boden mit weniger Mikroben. Auf dem Versuchsfeld in der Nähe von Basel erklärt der Bodenökologe Paul Mäder die Bedeutung eines anderen Lebewesens, das immerhin doppelt so oft auf einer Bioparzelle lebt wie auf einem herkömmlichen Acker.

    Hier können sie in der biodynamischen Parzelle sehr viele Regenwurmlosungen sehen, die Regenwürmer fressen sich ja durch das organisch-mineralisch Material hindurch, und scheiden dann diese Reste wieder aus und das bewirkt dann einen sehr fruchtbaren Boden, diese Losungen. Sie sind sehr nährstoffreich, mikrobiologisch aktiv und eben regenstabil ..wenn sie hier mit dem Finger lang fahren, sehen sie, dass der Boden sich sehr leicht krümeln lässt, er lässt sich auch leichter bearbeiten.

    Nicht weniger wichtig als die Regenwürmer sind Pilze. Und zwar jene, die nicht mit bloßem Auge zu erkennen sind. Bedeutend sind vor allem die Mykorhizza-Pilze, die eine Zweckgemeinschaft mit den Wurzeln der Feldfrüchte bilden. Von den Wurzeln bekommen die Mykorrhiza energiereiche Zuckerverbindungen. Als Gegenleistung liefern sie den Pflanzen Mineralstoffe. Durch ihre meterlangen Fortsätze verbessern sie die Stabilität des Bodens. Und sie helfen der Pflanze in schlechten Zeiten beim Überleben. Mäder:

    Wir haben gesehen, dass unter Bedingungen, wo die Wurzeln nicht so gut wachsen können, und unter trockenen Bedingungen bis zu 50 Prozent des Stickstoffs über Mykorrhizahyphen zu den Pflanzenwurzeln gelangen können.

    Je mehr Mykorrhizen nun an den Wurzeln hängen, desto fruchtbarer ist der Boden. Ihre Entdeckungen an Mykorrhizen fanden die Forscher so erstaunlich, dass sie jetzt über eine industrielle Nutzung dieser Mini-Pilze nachdenken. Denn unter den 50 gefundenen Mykorrhizen gab es Stämme, die ganz selektiv das Wachstum einiger Feldfrüchte wie Lauch verdreifachten. Mäder:

    Wir wollen jetzt diese Pilze .. vermehren, und wollen die dann vor allem bei Spezialkulturen, im Gemüsebau und Obstbau, wo natürlich vorkommende Mykorrhizen nicht so stark vertreten sind, die Böden impfen und eigentlich dadurch die Böden wieder fruchtbarer machen, wo sie an Fruchtbarkeit verloren haben.

    Fruchtbarkeit, darum dreht sich alles. Sie ist die Ursache dafür, dass Bioböden höhere Erträge abwerfen als bisher angenommen. Das haben erst die Langzeituntersuchungen über Biomasse gezeigt. Je artenreicher und vielfältiger die Welt der Mikroorganismen im Boden ist, desto mehr Funktionen können sie sich teilen. Und umso weniger Energie verbrauchen sie selbst zum Leben.