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Großes Stühle Rücken bei RTL

Für die einen ist seine Berufung keine Überraschung, für die anderen gleichwohl. Es muss jedenfalls ein hartnäckiges Werben gewesen sein und eine für RTL teuer erkaufte Personalie. Denn Marc Conrad fühlte sich in seiner Rolle als ebenso erfolgreicher wie ambitionierter Produzent sichtlich wohl. Und ebenso hartnäckig tat Gerhard Zeiler Conrads Berufung öffentlich als "kompletten Schwachsinn" ab.

Von Rüdiger Heimlich |
    Wie auch immer: Marc Conrad ist zweifellos die erste Wahl. Der Luxemburger spielt in einer anderen Liga als andere Kandidaten, die auch von der Presse gehandelt wurden: Ludwig Bauer, ehemaliger Kirch-Fernsehmanager; Ingrid Haas, ambitionierte RTL-Kommunikationschefin, Anke Schäferkordt, erfolgreiche Vox-Geschäftsführerin, Thomas Hesse, visionärer RTL-New-Media-Gründer. Zeiler wollte keine Experimente.

    Wer zuletzt Marc Conrads Werdegang als Produzent verfolgt hat, bemerkt, dass die von ihm eigenproduzierten Serien und Filme alles andere als Mainstream-Ware sind. Inzwischen arbeitet Conrad mit Grimme-Preisträgern zusammen.

    Ist das gehobene Unterhaltungsfernsehen also die Zukunft von RTL? Da wird es wohl kein Vertun geben. Der Senderchef Conrad wird andere Entscheidungen treffen als der Produzent. Und auch Conrad würde nicht zögern, Mainstream-Programme wie "Deutschland sucht den Superstar" oder die Kakerlakenshow zu installieren. Dass er ohne Skrupel auch Programme jenseits der Political Correctness sendet, war immerhin sein Erfolgsrezept.

    Ein Fernsehsender ist mehr als die Summe einzelner Sendungen, zitiert Marc Conrad heute gerne seinen Ziehvater Thoma: "Ein Programm braucht eine Seele." Und tatsächlich ist es das, was dem Sender derzeit fehlt. Identität, Leidenschaft. Sicher, der Marktführer stagniert auf hohem Niveau, aber diese Stagnation bringt eine eigene Stimmung hervor: RTL ist nicht mehr der Trendsetter, vieles läuft auf eingefahrenen Erfolgsschienen und im Sender gibt es nicht wenige Programm-Macher, die sich nach den Zeiten sehen, in denen sie mehr probieren, mehr wagen durften. Gerhard Zeiler steht dagegen für kühl kalkulierendes Management, nicht für die heiße Leidenschaft des Programmmachers.

    Mit Marc Conrad holt RTL den Spürhund zurück ins Haus. Aber auch da gibt es kein Vertun: Auch Conrad kann in konjunkturschwachen Zeiten nicht mehr das gold ausgeben, dass ihm in Zeiten des Booms schier grenzenlos zur Verfügung stand. Immer dringlicher aber stellt sich die Frage: Was kommt nach den Renditerennern Michael Schumacher und der Formel 1? Wer ersetzt Quoten-Renner Günter Jauch, was kommt nach Bohlen? Mit Reality-Shows wie "Frauentausch" oder dem angekündigten Diät-Duell läuft RTL jedenfalls dem Trend hinterher. Gleichzeitig muss Conrad den Sender ins Digital-Zeitalter führen: neue interaktive Fernseh-Inhalte entwickeln, RTL als unübersehbares Entertainment-Portal im Internet ausbauen, neue Einnahmequellen neben der Werbung auftun. Und die Zeiten werden spannender. Mit Marc Conrad jedenfalls wird der Sender wieder für einige Überraschungen gut sein.