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Großübung im Hamburger Hafen
Wie Feuerwehrleute von EU-Kollegen lernen

Im Hamburger Hafen werden jedes Jahr knapp 9 Millionen Container umgeschlagen. Um bei Unfällen mit Gefahrgütern vorbereitet zu sein, finden in der Hansestadt immer wieder Großübungen mit internationaler Beteiligung statt. Die EU fördert das Projekt "Hazard" mit 4,3 Millionen Euro.

Von Axel Schröder | 23.05.2019
Feuerwehrübung im Hamburger Hafen
Feuerwehrübung im Hamburger Hafen (Axel Schröder)
Vorn im Elektrobus hält Annette Tabbara das Mikrofon in der Hand. Die Europa-Bevollmächtigte der Freien und Hansestadt Hamburg will den zwei Dutzend Journalisten im Bus zeigen, was mit dem Geld aus EU-Töpfen im Hafen auf die Beine gestellt wird.
"Ich möchte gleich mit ihnen ein Projekt angucken, das sich 'Hazard' nennt. Und zwar geht es da um die Abwehr von Gefahren, die durch Gefahrgüter hervorgerufen werden. 'Hazard' wird aus dem 'Interreg Ost-Programm' der EU finanziert."
… und zwar mit immerhin 4,3 Millionen Euro. Drei Großübungen mit internationaler Beteiligung hat es im Hafen schon gegeben, die alle ein Ziel hatten: die Einsatzkräfte sollen voneinander lernen und die Zusammenarbeit proben, um im Ernstfall gut gerüstet zu sein. Welche Gefahr von der Fracht im Hamburger Hafen ausgehen kann, zeigte sich im Mai 2013. Damals brannte ein mit Autos und Uranhexafluorid beladener Frachter. Die Feuerwehrmannschaften an Bord und auf den Löschbooten konnten den Brand nur mit Mühe und Not löschen.
Wenn unbekannte Chemikalien qualmen
Die Übung beginnt. Draußen, auf der weiten Terminalfläche des Burchardkais quillt dichter Qualm aus einem rostroten Container. In hundert Meter Entfernung, vor dem rot-weißen Flatterband erklärt Jens Bersuch vom Umweltdienst der Hamburger Feuerwehr, womit es seine Kollegen zu tun haben:
"Wir haben eine Ausgangslage: ein Containerschiff ist durch eine Sturmlage gefahren und am Burchardkai angekommen. Wird also entladen, die Container werden ganz normal mit der Verladebrücke runtergenommen und an ihre Plätze verbracht. Was in dem Container passiert ist, kann ja keiner sehen. In diesem Fall handelt es sich um einen 20-Fuß-Container mit einer Mischbeladung, der nur unzureichend gekennzeichnet ist. Beim Abstellen kommt es zu einer chemischen Reaktion und es fängt an zu rauchen."
Ein Löschfahrzeug der Feuerwehr rollt aufs Gelände. Der Fahrer hält Abstand zum qualmenden Container, seine Kollegen springen aus dem Wagen, rollen mit angelegten Atemschutzmasken die Schläuche aus. Näher ran an den Container darf nur ein Drei-Mann-Team des so genannten Angriffstrupps. Alle drei tragen klobige graue Chemikalienschutzanzüge, Sauerstofflaschen auf dem Rücken, nähern sich langsam der immer noch verschlossenen Stahlbox.
Risikomanagement "Made in Finland"
Hinter dem Absperrband steht auch Marius Indorf von der Technischen Universität Hamburg. Er hat das "Hazard"-Projekt wissenschaftlich begleitet und erklärt, was die Hamburger von ihren finnischen Projektpartnern lernen konnten:
"Beispielsweise ist es in Finnland so, dass wir dort in Bezug auf das Risikomanagement auch eine gewisse 'Awareness' haben bei den Leuten. Denen ist das Thema 'Risikomanagement' bewusster, alltäglicher. Und ich würde sagen, dass dort die Strukturen, die Prozesse noch ein bisschen weiter fortgeschritten sind, so dass das ein Aspekt ist, den man dort lernen kann und hier übertragen kann."
Aber unterm Strich sei auch die Hamburger Feuerwehr schon auf einem extrem guten Stand, versichert der Wissenschaftler. Mittlerweile hat der Angriffstrupp den Container geöffnet, die Männer in ihren grauen Schutzanzügen werkeln im dichten Rauch, bereiten alles vor, um die Leck geschlagenen Chemikalienfässer in intakte Behälter umzufüllen. Jens Bersuch von der Hamburger Feuerwehr ist überzeugt davon, dass das EU-Projekt "Hazard" ein voller Erfolg ist:
"Wir waren in Finnland und haben uns dort Übungen und auch Material und Equipment angeguckt. Umgekehrt sind auf jeder Übung 'Observer' gewesen, die sich das ganze angeguckt haben und auch ihre Kommentare abgegeben haben, was man eventuell besser hätte machen können. Oder gesagt haben: 'Das ist toll, das übernehmen wir!'"
Die rund vier Millionen Euro für den Austausch mit den Kollegen aus anderen EU-Staaten, für die drei Großübungen und die wissenschaftliche Begleitung des Projekts seien gut investiertes Geld, erklärt der Feuerwehrmann. Hinter ihm steigen seine Kollegen in ihren Schutzanzügen in den Dekontaminationswagen. Werden von oben bis unten mit dem Hochdruckreiniger abgesprüht. Verseucht ist keiner von ihnen. Aber im Ernstfall gehört auch diese Sicherheitsmaßnahme einfach dazu.