Wir befinden uns in einer lateinamerikanischen Gewaltherrschaft. Diktatoren und Heilige werden mit quietschbuntem Kitsch, Leuchtgirlanden und Plastikblumen gefeiert. Der Präsident heißt Felix, hat ständig Zahnschmerzen, ist hochneurotisch und von zarter Frauengestalt. Sein Bodyguard trägt Indianerperücke und der Cousin des Präsidenten ist ein mahnender Intellektueller fürs gute Gewissen in weißem Anzug mit Schaumstoff-Übergewicht. Seine Tochter Jeannine hat sich wegen der Gräueltaten des Präsidenten gerade erfolglos aus dem Fenster gestürzt und humpelt im Streckverband über die Bühne. Ein letzter Revolutionär versucht, der Schreckensherrschaft etwas entgegenzusetzen. Oder ist es der Messias?
Immerhin kann er durch Wände gehen, Lahme heilen oder ohne Vorwarnung aufleuchten. Als er von Felix’ Häschern gefangen gesetzt wird, ist eine Erschießung zu unspektakulär - die wird schließlich alle zehn Minuten im Fernsehen gezeigt. Stattdessen muss eine echte Kreuzigung her. Die Exklusivübertragung bringt dem Staat 75 Millionen, Werbeminuten gegen Achselschweiß und Darmverschluss inbegriffen. Die Regisseurin des Filmteams trägt blonde Perücke, Hotpants und moralische Bedenken, die der Produzent im Dienst der guten Sache wegwischt, während hinter ihm schon das Kreuz gesägt wird.
"Ganz ehrlich, Emily, ich finde das alles genauso ekelhaft wie du. Aber ganz ehrlich: wen interessiert, was ich ekelhaft finde? Jetzt wollen wir die Situation mal ganz ohne Gefühlsduselei analysieren.. Medienmacht ist Menschenmacht! Menschen sind im Medienmarkt die Markenartikel. Wirklich ist das, was wirkt! Wenn wir das hier auf allen Bildschirmen der Welt zeigen, können wir dazu beitragen, dem ein für allemal ein Ende zu machen."
Doch der Messias konnte sich nicht so richtig entscheiden, ob er geopfert werden möchte. Er ist getürmt und der Dreh muss verschoben werden. Der General verguckt sich derweil in Filmemacherin Emily und vergisst darüber seine Pläne, vorher lässt er aber noch den Anhänger Stanley im orangenen Guantanamo-Anzug foltern. Zum Schluss stehen alle auf dem Abendmahlstisch herum, sprechen durcheinander und blicken ins gleißende Licht. "Komm runter, wir brauchen dringend eine Revolution", sagt die nun gesundete Tochter und isst einen Apfel der Erkenntnis.
Das alles hört sich vielleicht ganz lustig an, ist aber Medienkritik von bestürzender Banalität und flachstem Humor. Liegt es am Stück oder an der Inszenierung von Claudia Bauer? Möglicherweise könnte man dieser Groteske beikommen, indem man sie à la Monty Python auf die Spitze triebe - oder aber viel ernster nähme. In der Koproduktion von Stuttgart und Ruhrfestspielen durchzieht jedenfalls ein unerträglich ironisch-distanzierter Gestus die Inszenierung: alles ist kalauerhaft überzeichnet, hohle Witzfiguren spielen leeren Boulevard, und selbst was ernst gemeint scheint, wird lächerlich gemacht. Dass Medien hemmungslos auf Sensationen halten und dass es keine Glaubensfiguren mehr gibt, ist zur wohlfeilen Banalität geworden.
Aber auch das Stück kann sich nicht entscheiden, ob es eine blasphemische Alberei, eine provozierende Geschmacklosigkeit oder eine echte Weltanalyse mit erhobenem Zeigefinger ist. Zu allem Überfluss scheint man das in der Inszenierung auch selbst erkannt zu haben:
"Versuch doch mal was ernst zu meinen... bis zum Schluss ernst zu meinen... kannst nichts ernstmeinen... niemand kann mehr etwas ernstnehmen…"
Doch die dazwischen gestreuten Brüche machen alles nur noch peinlicher, weil umso bewusster wird, dass es eigentlich um komplexe Fragen geht.
Damit reiht sich Arthur Millers "Auferstehungsblues" ein in eine Reihe fast peinlicher Flops der diesjährigen Ruhrfestspiele. Seit 2005 werden sie vom erfolgsorientierten Luxemburger Ex-Intendanten Frank Hoffmann geleitet und können Zuschauerrekorde vermelden. Unter seiner Leitung wurde der Promifaktor des Gewerkschaftsfestivals kräftig erhöht.
Doch der Schwerpunkt "Amerika" wirkt da letztlich nur wie eine gute Gelegenheit, in diesem Jahr besonders viel Hollywoodstars einzuladen: zur Eröffnung gab es eine mittelmäßige Inszenierung von Kevin Spacey und Jeff Goldblum. Später war zwar eine gediegene erste Inszenierung der Oscar-Gewinnerin Cate Blanchett zu sehen, die aber jedes deutsche Privattheater ebenso gut hinbekommen hätte.
Das arme Boulevardtheater von reichen Hollywood-Schauspielern ins Theaterland Deutschland einfliegen zu lassen, wirkt ziemlich absurd. Aber vielleicht muss man sich so der Qualitäten des deutschen Theaters immer mal wieder vergewissern.
Immerhin kann er durch Wände gehen, Lahme heilen oder ohne Vorwarnung aufleuchten. Als er von Felix’ Häschern gefangen gesetzt wird, ist eine Erschießung zu unspektakulär - die wird schließlich alle zehn Minuten im Fernsehen gezeigt. Stattdessen muss eine echte Kreuzigung her. Die Exklusivübertragung bringt dem Staat 75 Millionen, Werbeminuten gegen Achselschweiß und Darmverschluss inbegriffen. Die Regisseurin des Filmteams trägt blonde Perücke, Hotpants und moralische Bedenken, die der Produzent im Dienst der guten Sache wegwischt, während hinter ihm schon das Kreuz gesägt wird.
"Ganz ehrlich, Emily, ich finde das alles genauso ekelhaft wie du. Aber ganz ehrlich: wen interessiert, was ich ekelhaft finde? Jetzt wollen wir die Situation mal ganz ohne Gefühlsduselei analysieren.. Medienmacht ist Menschenmacht! Menschen sind im Medienmarkt die Markenartikel. Wirklich ist das, was wirkt! Wenn wir das hier auf allen Bildschirmen der Welt zeigen, können wir dazu beitragen, dem ein für allemal ein Ende zu machen."
Doch der Messias konnte sich nicht so richtig entscheiden, ob er geopfert werden möchte. Er ist getürmt und der Dreh muss verschoben werden. Der General verguckt sich derweil in Filmemacherin Emily und vergisst darüber seine Pläne, vorher lässt er aber noch den Anhänger Stanley im orangenen Guantanamo-Anzug foltern. Zum Schluss stehen alle auf dem Abendmahlstisch herum, sprechen durcheinander und blicken ins gleißende Licht. "Komm runter, wir brauchen dringend eine Revolution", sagt die nun gesundete Tochter und isst einen Apfel der Erkenntnis.
Das alles hört sich vielleicht ganz lustig an, ist aber Medienkritik von bestürzender Banalität und flachstem Humor. Liegt es am Stück oder an der Inszenierung von Claudia Bauer? Möglicherweise könnte man dieser Groteske beikommen, indem man sie à la Monty Python auf die Spitze triebe - oder aber viel ernster nähme. In der Koproduktion von Stuttgart und Ruhrfestspielen durchzieht jedenfalls ein unerträglich ironisch-distanzierter Gestus die Inszenierung: alles ist kalauerhaft überzeichnet, hohle Witzfiguren spielen leeren Boulevard, und selbst was ernst gemeint scheint, wird lächerlich gemacht. Dass Medien hemmungslos auf Sensationen halten und dass es keine Glaubensfiguren mehr gibt, ist zur wohlfeilen Banalität geworden.
Aber auch das Stück kann sich nicht entscheiden, ob es eine blasphemische Alberei, eine provozierende Geschmacklosigkeit oder eine echte Weltanalyse mit erhobenem Zeigefinger ist. Zu allem Überfluss scheint man das in der Inszenierung auch selbst erkannt zu haben:
"Versuch doch mal was ernst zu meinen... bis zum Schluss ernst zu meinen... kannst nichts ernstmeinen... niemand kann mehr etwas ernstnehmen…"
Doch die dazwischen gestreuten Brüche machen alles nur noch peinlicher, weil umso bewusster wird, dass es eigentlich um komplexe Fragen geht.
Damit reiht sich Arthur Millers "Auferstehungsblues" ein in eine Reihe fast peinlicher Flops der diesjährigen Ruhrfestspiele. Seit 2005 werden sie vom erfolgsorientierten Luxemburger Ex-Intendanten Frank Hoffmann geleitet und können Zuschauerrekorde vermelden. Unter seiner Leitung wurde der Promifaktor des Gewerkschaftsfestivals kräftig erhöht.
Doch der Schwerpunkt "Amerika" wirkt da letztlich nur wie eine gute Gelegenheit, in diesem Jahr besonders viel Hollywoodstars einzuladen: zur Eröffnung gab es eine mittelmäßige Inszenierung von Kevin Spacey und Jeff Goldblum. Später war zwar eine gediegene erste Inszenierung der Oscar-Gewinnerin Cate Blanchett zu sehen, die aber jedes deutsche Privattheater ebenso gut hinbekommen hätte.
Das arme Boulevardtheater von reichen Hollywood-Schauspielern ins Theaterland Deutschland einfliegen zu lassen, wirkt ziemlich absurd. Aber vielleicht muss man sich so der Qualitäten des deutschen Theaters immer mal wieder vergewissern.