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Grubenlampe am Himmel

Astronomie. - Wenn nachts die Sterne funkeln, finden viele das ganz romantisch – nur Astronomen ist das ein Dorn im Auge, denn der Grund - thermische Luftunruhe - verdirbt ihre Aufnahmen. Europas Südsternwarte - die modernste der Welt - nutzt eigene Tricks, um stets Durchblick zu behalten.

Von Dirk Lorenzen |
    Nacht für Nacht blicken vom Berg Paranal in der Atacama-Wüste im Norden Chiles die Teleskope von Europas Astronomie-Organisation Eso in die Tiefen des Alls. Mehr als 100 Kilometer von der nächsten größeren Siedlung entfernt, ist Paranal nachts stockfinster. Wirklich ganz dunkel? Nein! Seit Neuestem ragt ein dünner gelb-grüner Laserstrahl in den schwarzen Himmel. Nächtliches Licht an einer Sternwarte? Das mag zunächst absurd klingen, doch José Luis Alvarez, Ingenieur bei der ESO, zeigt stolz den kleinen "Scheinwerfer" an seinem Teleskop:

    "Wir schicken einen Laserstrahl immer genau in Blickrichtung des Teleskops an den Himmel. Das Laserlicht regt in gut 90 Kilometern Höhe Natriumatome zum Leuchten an. Wir sehen dann gleichsam einen künstlichen Stern im Blickfeld des Teleskops."

    Der Himmel ist übersät von Milliarden von Sternen – doch die Astronomen brauchen noch einen mehr. Kein unnötiger Luxus: Denn der zusätzliche Kunst-Stern hilft den Forschern, wirklich perfekt scharf in die Tiefen des Alls zu blicken.

    "Wir brauchen den Laser-Leitstern, um mit adaptiver – also sich ständig der Atmosphäre anpassender - Optik die Luftunruhe zu korrigieren. Adaptive Optik lässt die Teleskope in Chile so scharf sehen, als wären sie im Weltraum. Doch bisher war dieses Verfahren stark eingeschränkt: Man brauchte immer einen recht hellen Stern im Blickfeld. Jetzt sorgt der Laser-Leitstern dafür, dass wir praktisch überall am Himmel perfekt scharf sehen."

    Für die adaptive Optik braucht das Teleskop einen Referenzstern im Blickfeld: Je nachdem, wie verwaschen der an sich punktförmige Stern erscheint, verformt das Teleskop einen kleinen "Gummispiegel" im Strahlengang, um das Bild perfekt scharf zu stellen. Bis zu 1000 Mal pro Sekunde korrigiert das Teleskop die Luftunruhe. Allerdings ist im sehr kleinen Blickfeld der Großteleskope oftmals kein Stern zu sehen, der hell genug ist für die Bildanalyse. Bisher mussten die Astronomen dann die Luftunruhe hinnehmen – jetzt aber hilft Hightech. José Luis Alvarez steigt die Metalltreppe zu einer Plattform neben dem gut zehn Meter breiten und 20 Meter hohen Teleskop hoch. Bevor man in den etwa zwei mal vier Meter großen Laser-Raum eintreten darf, muss man in Schutzanzug, Haarhaube und Überschuhe schlüpfen.

    "Hier im Reinraum haben wir unser Lasersystem. Es besteht aus sechs Lasern, die schließlich das gelb-grünliche Licht produzieren. Der Laserstrahl wird dann über Lichtleiter oben zum kleinen Startteleskop an der Spitze des großen Teleskops geführt. Dieser Laser gehört zu den weltweit leistungsstärksten bei dieser Frequenz."

    Ein gemeinsames Team von Eso und vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching hat jahrelang an dieser Technik gearbeitet. Für Vögel wäre ein Flug durch den Laserstrahl durchaus unangenehm, doch Vögel gibt es dort in der Wüste kaum. Und obwohl der Strahl für Flugzeuge ungefährlich wäre, sorgen die Astronomen vor, erklärt José Luis Alvarez:

    "Das System überwacht den Luftraum in der Nähe des Observatoriums. Zwei Kameras an der Spitze des Teleskops machen ständig Bilder und analysieren sie. Entdecken sie ein Flugzeug, wird der Laserstrahl automatisch abgeschaltet."

    Kommt kein irdisches Objekt in die Quere, brennt der gelbgrüne Laserstrahl über der Atacama-Wüste einen "Kunststern" an jede gewünschte Position am Himmel – und lässt so das Very Large Telescope, das leistungsstärkste Teleskop der Welt, nun noch schärfer Milliarden Lichtjahre tief in den Kosmos blicken.