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Grün, Gelb, Rot

Am Karlsruher Institut für Technologie wird die Zufriedenheit der Studierenden mit einem empirischen Verfahren erfasst. Daraufhin erhält der Lehrende eine Bewertung - Rot, Gelb oder Grün - und eine Analyse der Schwachpunkte.

Von Anja Braun | 16.09.2010
    Am KIT bekommen schlechte Lehrveranstaltungen gleich Mal das Stopp-Zeichen in Rot vor die Nase gehalten. Denn der Lehrqualitätsindex, den die zentrale Evaluierungsstelle für alle Lehrveranstaltungen erstellt, leuchtet in Ampelfarben. Soziologe Michael Craanen hat sich das Verfahren ausgedacht, denn:

    "Das sind Signalfarben, die natürlich sofort jeder versteht.
    Das ist visuell sehr einprägsam."

    Neben der Ampelfarbe gibt die Beurteilung aber noch jede Menge weitere Hinweise darauf, wie die Veranstaltung bei den Studierenden ankommt. Der Index misst nicht die reine Lehrqualität, sondern die Zufriedenheit der Studierenden mit der Veranstaltung:

    "Das ist eine Art Monitoring und das ist verknüpft mit dem Ampelsystem. Wenn die Ampel dann mal auf gelb oder auf rot geht - heißt das eben, die Studierenden unzufrieden mit dieser Veranstaltung sind und dann wird da eben genau geguckt, was ist da los. Und dann werden eben Maßnahmen überlegt, die auf diese Veranstaltung passen."

    Craanen versichert, das KIT sei damit bundesweit die einzige Universität, die ständig die Zufriedenheit ihrer Studierenden überblicken könne. Um die zu messen, wird jeder Fragebogen - neben weiteren fachspezifischen Details - mit fünf zentralen und immer gleich lautenden Fragen gespickt:

    "Bitte bewerten sie die Lehrveranstaltung insgesamt. Dann wird der Arbeitsaufwand abgefragt, der auch sehr stark abhängig ist von anderen Veranstaltungen. Dann die Frage zur Struktur - wie gut ist die Veranstaltung strukturiert. Dann gibt es noch zwei Fragen zum Dozenten. Einmal Engagement und Motivation des Dozenten und wie geht er auf die Fragen und Belange auf die Studierenden ein."

    Evaluationen ihrer Lehrveranstaltungen führen mittlerweile alle Hochschulen in Deutschland durch. Doch was dann aus diesen Bewertungen folgt, ist meist nicht eindeutig geregelt. Viele Fakultäten verfahren nach Gutdünken und so manches Ergebnis verschwindet auch heute noch in der Schublade. Anders am KIT: dort ist an die Evaluation automatisch ein Nachbesprechungsverfahren gekoppelt, wie Jürgen Becker, zuständig für Studium und Lehre am KIT, erklärt:

    "Wir haben so ein System, dass die Leute praktisch schon am gleichen Tag nach der Evaluation praktisch die Ergebnisse als pdf-file in ihrer Mailbox haben und die sind dann aufgefordert - nach Studium der Ergebnisse - dort auch Kommentare zu schreiben, wie sie gegebenenfalls Dinge, die suboptimal laufen, in der nächsten Lehrveranstaltung ablaufen. Das geht dann an die Studienkommission."

    Im Fall von roten oder gelben Ampelfarben empfiehlt die Studienkommission - in der auch Studierende sitzen - dem oder der Lehrenden dann zum Beispiel eine hochschuldidaktische Fortbildung oder erarbeiten mit dem Betroffenen weitere Verbesserungsmöglichkeiten. Zuallererst müssen die Dozenten jedoch die Ergebnisse mit den Studierenden in der Lehrveranstaltung besprechen und erhalten so gleich eine Menge Tipps zur Veränderung. Kein Wunder, dass das Evaluationskonzept bei den Studierenden gut ankommt. Andreas Wolf vom Unabhängigen Studierendenausschuss des KIT studiert Elektrotechnik:

    "Also ich weiß es aus meiner Fakultät, dass sich der Anteil der schlecht bewerteten Veranstaltungen reduziert hat. Es gibt zwar immer mal wieder neue, die dazu kommen, dafür fallen mal andere wieder weg. Also es führt schon zu einer Qualitätsverbesserung, weil man wirklich besser identifizieren kann, wo wirklich die Probleme drin liegen."

    Seit 2008 wird dieses Konzept mit unmittelbarer Rückkoppelung am KIT durchgeführt. Jede Fakultät und jede Veranstaltung muss alle zwei Jahre komplett gecheckt werden, viele wünschen die Bewertung jedoch häufiger und haben einen geradezu sportlichen Ehrgeiz entwickelt, meint Andreas Wolf:

    "Weil natürlich auch so ein gewisser Wettbewerb unter Dozenten entsteht um gute Vorlesungen und man natürlich auch seinen Studierenden nicht gegenübertreten will mit einem schlechten Ergebnis."

    Professor Jürgen Becker, Bereichsvorstand des KIT für Studium und Lehre, ist sicher, dass die anfängliche Skepsis vieler Professoren gegenüber dieser neuen Lehr-Qualitätssicherung sich in Zustimmung verwandelt hat. Vor allem weil die Evaluation gerecht und konsequent durchgeführt wird. Das heißt auch:

    "Wenn dann über den zeitlichen Verlauf keine Verbesserung eintritt, dann kann das unter Umständen auch zur Absetzung eines Dozenten von einer bestimmten Lehrveranstaltung führen."

    Und das sei bereits vorgekommen, so Becker. Doch die meisten Lehrveranstaltungen am KIT bewegen sich im grünen Bereich. Kritisch - das heißt gelb oder gar rot bewertet - werden nur rund fünf Prozent des Lehrangebotes. Dazu kommt, dass die Mehrheit der Dozenten an der Evaluation ihrer Lehre sehr interessiert sind, betont KIT-Chef-Controller Craanen:

    "Die Lehrenden kommen hier an und sagen, ich bin jetzt nicht in der Stichprobe, aber ich möchte evaluiert werden. Im Bauingenieurwesen übersteigt die Anzahl der Freiwilligen schon die Anzahl der Pflichtveranstaltungen. Also das ist schon bemerkenswert, dass die Lehrenden das von sich aus auch nutzen wollen."