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Gründliche Straßenreinigung

Technik. - In der modernen Gesellschaft ist Lärm zu einer Plage geworden, und zu den schlimmsten Lärmverursachern gehört der Straßenverkehr. Mit offenporigem, so genannten Flüsterasphalt kann man den Verkehrslärm dämpfen, bis die Poren durch den Straßenschmutz zugesetzt sind. Stuttgarter Forscher untersuchen, wie sich diese Verstopfung verhindern lässt.

Von Jan Friese | 27.07.2007
    Bereits seit den 80er Jahren gilt für Neuwagen ein europäischer "Lärm"-Grenzwert. Heutige Autos machen deshalb nur noch halb so viel Krach wie ihre Vorgänger. Auch für leisere Auto-Reifen gibt es seit kurzem EU-Richtlinien; denn inzwischen sind die Pneus oft lauter als der Motor. Schon ab 50 Stundenkilometern ist das Rollgeräusch die größte Lärmquelle. Die persönliche Fahrweise, Profil, Gummierung, der Druck des Reifens und sogar die Beladung des Autos beeinflussen dabei die Geräuschkulisse. Entscheidend ist aber auch die Straße, denn nicht jeder Asphalt "klingt" gleich. So können zum Beispiel Straßenbeläge mit porösen Oberflächen den Lärm regelrecht aufsaugen. Bereits in den 50er Jahren bauten die Amerikaner solche Straßen; die lärmdämmende Wirkung des neuen Asphalts war dabei aber eher ein Zufallsprodukt.

    "Er sollte nämlich das Wasser bei Regen aufnehmen, also in die Hohlräume aufnehmen, und dort dann zeitversetzt unter der ersten Schicht seitlich abgeführt werden, und damit die Sprühfahnen vermindert werden. Und erst später hat man gemerkt, dass also hier auch eine absorbierende Wirkung da ist, das heißt also, der Schall aufgenommen werden kann, beziehungsweise gedämpft werden kann","

    erklärt Professor Wolfram Ressel von der Universität Stuttgart. Moderne Asphaltdecken, so genannte Flüsterasphalte, erreichen dabei nahezu eine Halbierung des Lärms. Allerdings ist der Effekt nicht von langer Dauer, denn die Poren saugen nicht nur den Schall auf wie ein Schwamm, sondern auch den Straßenschmutz. Staub, Russ und Reifenabrieb setzen nach drei bis fünf Jahren die Poren zu. Und verstopfte Poren können keinen Lärm mehr aufnehmen. Einfach durchspülen hilft da wenig. Ressel:
    ""Ja, der Schmutz ‚verbackt’, wie wir sagen, so stark an den Innenwandungen dieser Hohlräume, dass man nur Teile durch Absaugen oder Spülen beseitigen kann, das heißt, der ist so fest, dass man ihn eigentlich gar nicht mehr wegbekommt."

    Wolfram Ressel sah sich den Asphalt einmal ganz genau an. Gemeinsam mit seinem Kollegen Professor Claus Eisenbach, dem Leiter der Stuttgarter Forschungsinstitute für Polymerchemie und Pigmente und Lacke, legte er ein Stück Straßenoberfläche unter ein Elektronenmikroskop. Das Ergebnis: Der Asphalt war einfach zu rau. Eisenbach:

    "Die Poren sind innen drin von einer bestimmten Mikrorauigkeit und wenn ich diese Rauigkeit durch einen Überzug glätte, dann können sich die Partikel nicht mehr so darin verkannten und könnten dann auch besser rausgespült werden, ist also ein rein physikalisch-mechanisches Vorgehen."

    Um die Poren zu glätten, verfolgt Claus Eisenbach eine Doppelstrategie. Normalerweise sickert Regen langsam, in kleinen Rinnsalen, durch die Poren und lagert auf der rauen Oberfläche eher Schmutz ab, als dass er ihn wegspült.
    Bei einem besonders wasserabweisenden Überzug finden Wasser und Schmutz aber keinen Halt mehr. Statt in Rinnsalen würde der Regen in Form dicker Wasserkugeln abperlen und dabei vorhandene Staub- und Schmutzpartikel einfach mitreißen. Eisenbach:

    "Das ist der Lotus-Effekt, und die andere Variante ist, dass man die Oberfläche nicht extrem wasserabweisend macht, sondern extrem wasseranziehend."

    Wasser perlt dann nicht mehr an der Oberfläche der Poren ab, sondern sammelt sich als dünner gleichmäßiger Wasserfilm. Der "fühlt" sich dann von der neuen Beschichtung so stark angezogen, dass er sogar zwischen sie und die Schmutzpartikel kriecht. Eisenbach:

    "Also der Wasserfilm würde unter die Partikel darunterkriechen, und wenn dann eine Wasserströmung da ist, würden sie quasi weggeschwemmt."

    Wegschwemmen oder Wegspülen - Welche Mixtur für die glatte Versiegelung die effektivste ist, testen die Forscher derzeit im Labor an Asphaltstücken, jedes so groß, wie ein Bierdeckel. Wo es die erste befahrbare Teststrecke geben soll, wird im Herbst entschieden.