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Grüne Entseuchung vergifteter Böden

Technik. – Die Sanierung verseuchter Areale ist eine heikle und teure Angelegenheit. Ein besonders eleganter Ansatz besteht darin, Pflanzen die Drecksarbeit machen zu lassen. Arabidopsis halleri etwa, ein unscheinbares Ackerkraut, zieht Schwermetalle wie Cadmium oder Zink in hoher Konzentration aus verseuchten Böden und speichert sie in ihren Zellen. Wissenschaftler der Freien Universität Amsterdam beschäftigen sich seit Jahren mit diesem Thema und haben einige Antworten gefunden.

Von Mirko Smiljanic |
    Freie Universität Amsterdam, Institut für Biologie, 1. Tiefgeschoss. Schränke, Regale, hier und da mit Blumentöpfen aus Plastik vollgestellte Stahltische. Es riecht nach Erde. In regelmäßigen Abständen durchbrechen schwere Sicherheitstüren nackte Steinwände.

    Wir gehen jetzt in eine Klimakammer, die temperaturkontrolliert ist und auch das Licht ist kontrolliert...

    Professor Wilfried Ernst - ehemaliger Leiter des Institutes - hat sich schon in den 70er Jahren mit schwermetallresistenten Pflanzen, so genannten Hyperakkumulatoren, beschäftigt. Die Klimakammer ist in gleißend weiß-blaues Licht getaucht, exakt 23 Grad Celsius herrschen bei stets gleich bleibender Luftfeuchtigkeit. Ernst:

    Ja, hier sehen wir eine Reihe von Populationen, hier zum Beispiel die Zinkkresse, eine der hochakkumulierenden Pflanzen, wir haben zwei davon in Deutschland, das ist einmal Hallers Kresse, die Arabidopsis halleri, und die Zinkkresse, das sind typische Pflanzen, die in ganz Westeuropa, inklusive Nordeuropa bis zu den Pyrenäen auf schwermetallreichen Böden vorkommen, gleichzeitig aber auch auf Böden vorkommen, die schwermetallarm sind.

    Ein Tausendsassa: Wenn genug Zink den Boden verseucht, saugen sich die Zellen der Zinkkresse mit dem Metall voll; ist der Boden metallarm, ist es ihr auch recht. Zwischen den Pflanzenarten gibt es zudem große Unterschiede, wo sie die Metalle deponieren. Zinkgrasnelken nutzen die Wurzeln als Endlager, der Taubenkopf wiederum speichert die Hälfte des Metalls in der Wurzel, die andere Hälfte in den Blättern. Ernst:

    Während die Hyper-Akkumulatoren, zu denen auch die Zinkkresse gehört, die Eigenschaft haben, das Zink von der Wurzel in den Spross zu bringen und in die Blätter und da enorme Akkumulationen - die Werte, die wir gefunden haben, liegen zwischen 10.000 und Extremfälle bis zu 50.000 Milligramm Zink pro Kilo Trockensubstanz, und das ist dann schon echt eine Bergbaupflanze.

    Warum aber überleben sie Giftattacken, die jede andere Pflanze dahinraffen würden? Das Geheimnis liegt in einem fein austarierten biochemischen Kontrollprozess. Dringen Metallionen über die Wurzeln in die Zellmembran ein, werden sie sofort von Transporter-Molekülen gebunden und an ihren Bestimmungsort gebracht. Überschüssiges Metall deponiert die Pflanze in der Vakuole, einem vergleichsweise großen Hohlraum innerhalb der Zelle. Auf keinen Fall dürfen die reaktionsfreudigen Metalle frei herumschwimmen, weil sie sich sofort an Proteine binden und deren Funktion zerstören würden. Die Steuerung dieses Vorgangs erfolgt über Gene. Für die Forscher ist klar, dass Zellen eine Art genetischen Sensor besitzen müssen, der zu jeder Zeit die Konzentration von Metallen in den Zellen misst. Henk Schaad, Biologe an der Freien Universität Amsterdam.

    Wir haben die Gene als solche noch nicht gefunden, aber wir haben eine Reihe von Hinweisen. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Pflanze versuchen, kein Metall in empfindlichen Teilen der Zelle zu speichern, sie müssen Metalle in den Mülleimer der Zellen transportieren, in die Vakuole. Und da haben wir jetzt einen Transporter gefunden, der bei den hochtoleranten Pflanzen aktiver ist, auch bei den empfindlichen Pflanzen, das ist einer der Kandidaten, den wir sicher haben, einen zweiten suchen wir noch.

    Würden tatsächlich die für diesen Prozess verantwortlichen Gene gefunden, ließen sich vergleichsweise einfach schwermetallresistente Pflanzen produzieren. Denn dann könnten die Wissenschaftler Pflanzen gentechnisch so verändern, dass sie Schwermetalle speichern - und zwar gezielt für einzelne Schadstoffe. Jeder Transporter spezialisiert sich ja auf bestimmte Metalle: Wer Kupfer bindet, lässt Mangan ungehindert passieren - und umgekehrt. Große verseuchte Flächen ließen so sanieren, wobei man sich - sagt Professor Wilfried Ernst - vom satten Grün der Pflanzen aber nicht verführen lassen darf.

    Das hat zum Beispiel die Gemeinde bei Mausbach/Weißenberg gemacht, dann hat sie einen Kinderspielplatz drauf gebaut, die Kinder haben natürlich den kontaminierten Sauerampfer gegessen und waren dann bleigeschädigt.

    Die mit Schwermetallen verseuchten Pflanzen sind juristisch übrigens Sondermüll. Die Hyperakkumulatoren werden getrocknet und verbrannt, die Asche wandert anschließend auf spezielle Deponien. Es sei denn, die Konzentration an teuren Metallen - Zink etwa - ist so hoch, dass ein Verkauf lohnt. Dann lässt sich die Sanierung verseuchter Flächen zumindest teilweise refinanzieren.