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Grüne Reifen

Technik. - Um Gummi herzustellen, braucht man Kautschuk, Schwefel und Zinkoxid als Katalysator. Weil Zinkoxid giftig und umweltschädlich ist, suchen Chemiker nach Alternativen. Am Dresdener Leibniz-Institut für Polymerforschung ist man fündig geworden.

Von Hartmut Schade |
    Pure Neugier und Experimentierlust führten zu dieser Entdeckung, erinnert sich Dr. Andreas Leuteritz vom Dresdener Leibniz-Institut für Polymerforschung.

    "Bei einer Tasse Kaffee ist die Idee geboren worden, man könnte doch mal probieren, was passiert, wenn man ein Zink-LDH in Gummimaterialien einarbeitet."

    LDH ist das Kürzel für "layered double hydroxide". Das sind Mineralien in Sandwichgestalt, bei denen Metallionen, Aluminium beispielsweise, Magnesium oder eben Zink, einen Kern anorganischer Ionen umschließen. Letztere sind quasi der Belag, die Metalle die Toastscheiben des Sandwichs.

    Um die mechanischen Eigenschaften von Reifen, wie Abrieb oder Rollwiderstand, zu verbessern, mischen die Hersteller normalerweise Ruß oder Kieselsäuren als Zusätze in die Rohmasse. Die Dresdener Polymerforscher kneteten stattdessen die Zinkmineralien in den Kautschuk. Diese erfüllten die in sie gesetzten Erwartungen, sagt Professor Gert Heinrich. Ihre Verstärkerwirkung war:

    "vergleichbar, wenn nicht so gar besser, als die der klassischen Füllstoffe wie Ruß oder gefällte Kieselsäuren, die heute in modernen Hochleistungsreifen immer mehr eingesetzt werden. Bei einem geringeren Mengeneinsatz."

    Neben den erwarteten Ergebnissen zeigten die Versuche auch verblüffende Resultate. So lief die Vulkanisation, also die Verbindung von Schwefel und Kautschuk zu Gummi effektiver ab. Dieses, so erinnert sich Andreas Leuteritz,

    "führte dazu, dass man das Zinkoxid komplett weggelassen hat, und festgestellt hat dabei, dass genauso vulkanisiert werden kann wie mit Zinkoxid."

    Diese Zinkmineralsandwiches enthalten auch Zink, aber für das Vulkanisieren brauchten die Dresdener nur ein Zehntel der Zinkmenge, die normalerweise eingesetzt werden muss. Ein beträchtliches Einsparpotenzial. Verbraucht doch allein die Reifenindustrie jährlich 500. 000 Tonnen Zinkoxid. Das weiße Metalloxid gilt als toxisch und gelangt über den Reifenabrieb in die Umwelt.

    Die extreme Effizienz der Zink-Sandwichmineralien liegt an ihrer Struktur. Beim Walken und Kneten in der Kautschukknetmaschine werden sie zu nanometerfeinen Teilchen zerrieben. Was dabei geschieht, ist ähnlich

    "wie einen Blätterteig aufzulösen in ganz feinblättrige, papierhauchdünne Folien, die dann verteilt vorliegen, sodass dann dieses System im Wesentlichen nur Oberfläche anbietet und weniger Volumen, sodass also die relativ wenigen - im Vergleich zum Zinkoxid - vorhandenen Zinkatome hier hocheffektiv zur Wirkung kommen."

    Diese feine Struktur sorgt ganz nebenbei für eine überraschende Eigenschaft: Der Gummi wird transparent.

    "Welche Anwendungsgebiete sich hier auftun, dass wissen wir im Moment noch gar nicht."

    Der durchsichtige Reifen wird es nicht sein, ist Gert Heinrich überzeugt. Wohl aber könnten Reifen - metaphorisch gesprochen - grüner werden. Nicht nur, weil bei ihrer Herstellung viel weniger Zink eingesetzt werden muss, sondern auch, weil die Zink-Sandwichmineralien den Rollwiderstand verringern und damit für weniger Spritverbrauch sorgen.