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Grüne "Super-Batterie" für Europa

Für überschüssig produzierten Strom aus erneuerbaren Energien braucht man Speicher. Für wind- und sonnenarme Zeiten und Gegenden sozusagen. Norwegen bietet dafür ideale Voraussetzungen und wird bereits als "Super-Batterie" Europas gehandelt.

Von Theo Geers | 30.08.2011
    Steinar Bysveen ist nur schwer aus der Ruhe zu bringen. Doch wenn es um den Stromverbund zwischen Deutschland und Norwegen geht, darum, deutsche Wind- und Solarparks mit Pumpspeicherseen in Norwegen zu verbinden, dann sprudeln die Zahlen aus dem behäbigen Manager des norwegischen Energiekonzerns Statkraft nur so heraus. Vor allem das Wasserkraftwerk Kvilldal, gut 100 Kilometer nördlich von Stavanger, und der dazu gehörige Blasjö, ein riesiger Speichersee, bringen den Strommanager ins Schwärmen:

    "Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Wir haben große Speicher, da können wir den Wasserspiegel 125 Meter herauf- oder herunter pegeln und wenn wir jetzt ein neues Stromkabel nach Deutschland legen würden, würde sich der Pegel in diesem Speichersee um gerade einmal einen Zentimeter pro Tag verringern. Das heißt: Wir würden es gar nicht merken, weil unsere Speicherbecken so groß sind."

    80 Quadratkilometer groß ist der Blasjø, der blaue See, den die Norweger in den 80er-Jahren bauten, oben in den Bergen auf 1050 Meter Höhe. Dieser größte norwegische Speichersee drängt sich für den Stromverbund mit Deutschland geradezu auf: Wenn hierzulande zu viel Strom aus Wind- oder Solarparks ins Netz drückt, könnte dieser Überschuss per Seekabel nach Norwegen fließen, wo die Turbinen quasi im Rückwärtsgang das Wasser hoch in die Speicherseen pumpen. Der deutsche Ökostrom würde so in norwegischem Wasser gespeichert und dann, wenn hierzulande kein Wind weht und beziehungsweise oder auch keine Sonne scheint, wieder abgerufen.

    Dann schießt das Wasser aus dem Blasjö über 500 Meter in die Tiefe, treibt tief im Fels vier Turbinen an mit einer Leistung von 1200 Megawatt. Das entspricht fast der Leistung von einem der großen deutschen Atomkraftwerke, deren Tage in Deutschland gezählt sind. Und der Blasjö ist nur ein Speichersee von vielen in Norwegen, die Speicherkapazitäten sind gigantisch:

    "Die Speicherkapazitäten bei uns machen etwa die Hälfte aller Speicher in ganz Europa aus. Wir können über 80 Terawattstunden speichern, das entspricht etwa 15 Prozent der gesamten Stromproduktion in Deutschland. Das System ist zudem viel flexibler als in Deutschland, weil es sich um Wasserkraftwerke handelt, die wir sehr leicht herauf- und herunterregulieren können, um die Nachfrage jederzeit abzudecken.""

    Die Betonung liegt auf dem Wort "jederzeit." Denn Wasserkraftwerke sind extrem flexibel und deshalb ideal, um die schwankende Stromerzeugung aus Wind- und Solarkraftwerken auszugleichen. Sie können binnen Minuten von Null auf Höchstlast hochfahren oder auch die Laufrichtung ändern. Doch was fehlt sind genügend Seekabel, die den Strom in beide Richtungen transportieren können. Ein neues – zweites – Kabel sollte eigentlich schon 2015 in Betrieb gehen, jetzt könnte es sogar bis 2018 dauern.

    "Es würde etwa eineinhalb Milliarden Euro kosten, aber es ist eine Investition, die nicht nur Kosten verursacht, sondern auch Einkünfte bringt. Sie können uns mit billigen Strom versorgen, wenn sie Überschüsse haben, wir können umgekehrt preiswerte Energie liefern, wenn bei Ihnen die Verbrauchsspitzen auftreten."

    Das rechnet sich selbst bei einem Wirkungsgrad von 70 Prozent, weil 30 Prozent der Ursprungsenergie in Norwegen für das Hochpumpen des Wassers verloren gehen. Zudem sind nicht nur Engpässe bei den Speichern für den Statkraft-Manager Steinar Bysveen ein Fremdwort. Anders als hierzulande sind In Norwegen die Speicher längst gebaut. Proteste gegen neue Speicherseen wie etwa in Deutschland fürchtet Bysveen im ebenso umweltbewussten Norwegen nicht:

    "Also für den Stromaustausch sehe ich überhaupt keinen Engpass auf norwegischer Seite. Wenn wir uns aber zum Netto-Exporteur aufschwingen würden, dann bekämen wir auch in Norwegen eine Debatte ob wir neue Reservoire bauen – das ist die große Frage, die Norwegen bewegt, aber jetzt reden wir über bestehende Speicherseen. Deren Umweltauswirkungen sind minimal und deshalb sehe ich da auch keinen Engpass."