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Grüner Strom aus heißem Wasser

In Island, wo heißes Wasser aus der Erde in Form von Geysiren sichtbar aus der Erde sprüht, nutzt man die Geothermie, die Wärme aus der Erde, schon lange. Aber auch unter der Bundesrepublik schlummern unermessliche Vorräte von Wärme im Erdinneren. Seit Mitte der 90er Jahre werden in Mecklenburg-Vorpommern mit fast siedend heißem Wasser weit über 1.000 Wohnungen beheizt. Aber November soll das erste Erdwärme- Kraftwerk die Energie aus der Tiefe ins Stromnetz einspeisen.

Michael Netzhammer |
    Noch hängt die Turbine am Haken. Aber langsam und ganz vorsichtig senkt der Kranführer sie ab. Die Turbine ist das Herzstück von Deutschlands erstem Erdwärmekraftwerk, das ab November in Neustadt-Glewe in Mecklenburg-Vorpommern Strom liefern soll. Keine 20 Meter vom Turbinenplatz wird 98 Grad heißes Wasser aus 2.000 Meter Tiefe an die Erdoberfläche gepumpt. Die nötigen Bohrungen wurden 1988 noch zu Zeiten der DDR begonnen, aber erst seit 1995 wird das heiße Wasser genutzt, um damit 1.350 Wohnungen und 25 Kleinbetriebe mit Wärme zu versorgen. Nun will man zusätzlich Strom produzieren. Projektleiter Egbert Brossmann erklärt den Prozess:

    Das salzhaltige Wasser kommt hier in die Wärmetauscher mit 98 Grad Celsius, gibt seine Wärme an den organischen Stoff Pärfluorpentan ab, der schon bei 31 Grad siedet, bei 98 Grad kocht bekanntlich noch kein Wasser, wir würden also gar keinen Dampf erhalten, deshalb ein organischer Stoff. Dieser organische Stoff verdampft bei 31 Grad, verrichtet Arbeit in der Turbine und nach der Turbine wird es wieder abgekühlt im Kondensator, dass es wieder flüssig wird. Es geht also ein ganz normaler Kraftwerkskreislauf vonstatten.

    Rund 900.000 Euro investieren die an der Projektgesellschaft beteiligten drei Stromversorger, die Berliner Bewag, die Schweriner Wemag und die EnergieSüdwest über eine Tochtergesellschaft. Das Bundesumweltministerium in Berlin übernimmt davon 400.000 Euro. Denn obwohl es sich um einen ganz normalen Kraftwerkskreislauf handelt, betreten die Betreiber, so Egbert Prossmann, Neuland:

    Die Besonderheit ist der organische Stoff, denn die 98 Grad, die wir hier vorliegen haben, das ist die niedrigste Temperatur der Welt, mit der Strom erzeugt wird, aus Erdwärme.

    Damit das wirtschaftlich geschehen kann, wird der organische Stoff nach Durchlaufen der Turbine statt mit Luft durch Wasser abgekühlt. Dafür wurde extra ein Kühlturm gebaut und Brunnen gebohrt, aus dem pro Stunde 400 Kubikmeter Wasser entnommen und nach der Kühlung wieder zurückgeführt werden. Diese Kühltechnik ist anspruchsvoller, macht aber Sinn, so Brossmann:

    Der Wasserkühlturm hat den Vorteil, dass diese im Sommer - wir kennen ja diesen heißen Sommer in diesem Jahr - keine Minderleistung hat. Die Luftkühltürme, die rein mit Ventilatoren arbeiten, hatten in Mecklenburg Minderleistungen von 20 bis 30 Prozent. Das bedeutet, 20 bis 30 Prozent weniger Strom werden erzeugt. Und das ist für die Wirtschaftlichkeit schon entscheidend.

    Die Turbine produziert bis rund 220 Kilowatt und kann damit 500 Wohnungen in Neustadt-Glewe mit Elektrizität versorgen. Nach diesem Prozess fließt das dann 70 Grad heiße Wasser wie bisher auch zum Heizwerk. Diese doppelte Nutzung funktioniert allerdings nicht im Winter. Ab minus fünf Grad Außentemperatur muss die Turbine abgestellt und das heiße Wasser direkt zum Heizwerk geleitet werden. Standzeiten sind natürlich unwirtschaftlich. Auf der anderen Seite profitiert das Projekt von den bereits vorhandenen Bohrungen. Ohne diese könnte in Neustadt-Glewe nicht wirtschaftlich Strom produziert werden. Dafür bräuchte es heißeres Wasser, wie es an anderen Stellen Mecklenburg-Vorpommerns durchaus vorhanden ist. Langfristig sehen Optimisten in der Geothermie die wichtigste erneuerbare Energiequelle Deutschlands. Das Potenzial im Erdinneren sei so groß, um damit den kontinuierlich anfallenden Strombedarf zu decken. Dabei gehe man allerdings davon aus, schränkt Projektleiter Brossmann ein:

    Den Wärmeinhalt bis in sieben Kilometer Tiefe zu nutzen, und das ist sehr teuer eine Bohrung in sieben Kilometer Tiefe. Aber es wird sich langsam aber sicher zu einer wichtigen Energiequelle in Deutschland entwickeln. Da kann man sicher sein.

    Seinen Optimismus speist er aus Vorteilen, die Geothermie gegenüber den anderen erneuerbaren Energiequellen hat: Sie ist unabhängig von Wind und Wetter, kann also 365 Tage im Jahr genutzt werden:

    Das ist der große Vorteil der Geothermie. Sie ist die einzige Energiequelle, die in dieser Beziehung voll konkurrenzfähig ist mit den fossilen Kraftwerken und Kernkraftwerken, die ja auch ständig verfügbar sind und keine weitere Reserveleistung für den weiteren Betrieb brauchen.