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Grünes Elbtal und Grauzone Völkerrecht

Die Abgesandte der Deutschen Unesco-Kommission, Birgitta Ringbeck, hat die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zugunsten des Baus der Waldschlösschenbrücke in Dresden beklagt. Sie halte die Entscheidungen der Welterbekommission für bindend. Zwar werde der Kommission formal nur ein Mitspracherecht eingeräumt. Dieses Recht habe jedoch durch die weltweite Aufmerksamkeit, die dadurch auf die Weltkultur-Stätte gelenkt werde, eine "große Imagewirkung".

Moderation: Michael Köhler |
    Michael Köhler: Wäre das nach ihrer Einschätzung der erste Fall einer Aberkennung, die droht?

    Birgitta Ringbeck: Ja, eindeutig, weltweit ist noch nie eine Welterbestätte von der Liste gestrichen worden. Das wäre eindeutig der erste Fall.

    Köhler: Wer sich auf die Annahme des Welterbetitels einlässt, so wie Köln, Speyer, Aachen mit ihren Domen, oder das Mittelrheintal, die Wachtburg und so weiter, gibt ja auch einen Teil seiner Souveränität willentlich und freiwillig ab.

    Ringbeck: Ja, das kann man so sagen. Man begibt sich also in die Hände eines noch höheren Gremiums, das eigentlich noch über unseren Behörden steht, weil eben die Weltgemeinschaft vereinigt ist im Welterbekomitee, und man gesteht ihm zu, dass sie ein Mitspracherecht haben. Dieses Mitspracherecht ist nicht direkt umsetzbar, aber es ist ein sehr gewichtiges Wort, denn es ist eine weltweite Aufmerksamkeit, die dadurch auf alle Städte gelenkt wird, und das hat große Wirkung und auch große Imagewirkung.

    Köhler: Sie sagen es schon, es geht nicht nur um ein touristisches Etikett, sondern das ist Bestandteil von Verträgen, nämlich Verträgen der UNESCO, hier in diesem Fall mit der Bundesregierung. Sie hat 1976 die Konvention zum Schutz der Kultur und des Naturerbes ratifiziert. Nun sind wir aber föderal verfasst. Greift übergeordnetes Recht hier auf das Land Sachsen durch?

    Ringbeck: Das Oberverwaltungsgericht Bautzen, also das sächsische Oberverwaltungsgericht, hat nun festgestellt, dass es keine bindende Wirkung hat. Das ist für alle, die in dem Umfeld tätig sind, die mit der Materie zu tun haben, absolut verblüffend, denn ganz selbstverständlich sind wir Länder, und da sage ich auch, wir als nordrhein-westfälische Landesregierung, davon ausgegangen, dass diese Welterbekonvention natürlich bindend ist und dass wir unsere Gesetze so gemacht haben, dass sie den Erfordernissen der Welterbekonvention entsprechen.

    Köhler: Man hört schon, Sie machen auch aus Ihrer persönlichen Enttäuschung, sage ich mal, nicht nur aus der professionellen, keinen Hehl.

    Ringbeck: Nein, weil das ist eigentlich eine Entscheidung, die uns auch als Kulturstaat trifft. Man muss sich vorstellen, wir haben eine Welterbestätte entgegen allen Gutachten, die sagen, das ist eine Entschädigung, der Bau der Brücke wird jetzt per Gericht beschlossen, dass die durchgesetzt werden muss, und der Bürgerentscheid hat natürlich eine große Wirkung, ganz klar, aber dass man sich nicht weiter bemüht, doch eine verträgliche Lösung hinzubekommen, das ist doch sehr enttäuschend. Ich denke, einen Kompromissvorschlag hätte es gegeben.

    Köhler: Nun ist ja der Schutz von Welterbestätten im Moment so ein bisschen Mode. Ich sage mal, Stichwort Museumsinsel in Berlin, da hat sich schon eine Gruppe gebildet, es gibt auch wieder Gegengruppen. Könnten ähnliche Fälle in Deutschland greifen, oder anders gefragt, was bedeutet das für das deutsche Weltkulturerbe weiterhin?

    Ringbeck: Ja, es ist natürlich erstmal ein großer Konflikt da, wenn es zum Streit kommt, das heißt, dieser Streit bei einer Welterbestätte wird sofort international ausgetragen. Sie haben nicht nur ein lokales Forum, sondern die Macht der Welterbekonvention ist eben die internationale Aufmerksamkeit, und da lässt sich natürlich positiv wie negativ trefflich mit arbeiten.

    Köhler: Sie sind Delegierte der deutschen UNESCO-Kommission. Haben Sie mit Ihren Kollegen so mal darüber gesprochen? Was sagen sie dazu?

    Ringbeck: Die Mehrzahl, mit denen ich jetzt vorab telefonisch Kontakt hatte, ist mehr oder weniger geschockt über das Urteil, und wir treffen uns erst Ende April, alle Ländervertreter gemeinsam, um also auch eine Strategie für die nächste Welterbesitzung zu vereinbaren, denn wir stehen ja wahrscheinlich oder werden vor der Frage gestellt, wie hält es denn Deutschland mit der Welterbekonvention, ihr nominiert laufend, und wenn es ernst wird, sagt ihr, okay.

    Köhler: Kurzum, um im Bild des Wassers und der Begrenzung zu bleiben, das ist eine Art Dammbruch?

    Ringbeck: Ja, auf jeden Fall.

    Köhler: Nun würde es mich zu guter Letzt nicht überraschen, wenn Sie sich für ein Staatsziel Kultur in der Verfassung aussprechen würden.

    Ringbeck: Ja klar, im Gegensatz zum Naturschutz ist die Kultur eindeutig benachteiligt. Wir haben kein Kulturgüterschutz in unserem Grundgesetz, und von daher ist es Landessache, ob die Kultur geschützt wird oder nicht. Zwar haben alle Verfassungen den Kulturgüterschutz verankert, aber ich finde, so was gehört ins Grundgesetz. Wir als Kulturnation müssen uns zu Kultur im Grundgesetz bekennen, das geht gar nicht anders. Ich glaube, das ist der allererste Schritt.