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Grundbuchverwaltung per Internet

In einem kleinen Dorf in der Nähe der südindischen Stadt Mysore im Bundesstaat Karnataka steht der Bauer Ningamma an dem neuen Internet-Kiosk, um sich seinen Grundbesitztitel aus dem Kataster ausdrucken zu lassen:

Von Tobias Grote-Beverborg |
    Er gibt den Ausdruck seiner Bank, weil er einen Kredit aufnehmen will. Er möchte einen Büffel kaufen und so muss er als Sicherheit der Bank einen Ausdruck seines Grundbuchs geben.

    ...erklärt Sathya Vati, Landesbeamtin und zuständig für das seit zwei Jahren stattfindende Internet-Projekt "Bhoomi", der Modernisierung der Grundbuchverwaltung durch indische Hochtechnologie. "Bhoomi" bedeutet in der einheimischen Sprache, dem Kannada, "Land".

    Die südindischen Bauern brauchen den Grundbuchauszug um dringend benötigte Kredite – z.B. für Saat- und Düngemittel – zu bekommen. Der Auszug dient der Bank als Sicherheit für das Darlehen. An die Vorteile des neuen Systems haben sich die Bauern schnell gewöhnt und sind voll des Lobes:
    Früher mussten wir lange warten, bis der zuständige Beamte kam, ständig musste man den Beamten suchen ...

    Ein anderer Bauer merkt an:

    Es ist ein sehr gutes System, innerhalb von Minuten erhalten wir den Ausdruck, ohne unsere Zeit zu verschwenden. Früher konnte man sich auch nie sicher sein, ob die Eintragungen tatsächlich gemacht wurden.

    Die Verwaltung der Landrechte in Indien legten die britischen Kolonialherren in die Hände einer kleinen bevorzugten Beamtenschicht, die so genannten Landverwalter. Sie besaßen das Monopol, Grundbücher zu führen und Kopien davon anzufertigen. Ravi Rangan, der im Auftrag der in Bangalore ansässigen Software-Firma COMAT von Anfang an am "Bhoomi"-Projekt beteiligt war, erklärt den Hintergrund:

    Die Grundbücher waren fast so etwas wie das persönliche Eigentum der Beamten. Wenn jemand eine Kopie seines Grundbuchs für einen Kredit brauchte, musste er den zwischen drei-, vier Dörfern hin- und herpendelnden Landverwalter finden, dann musste zusätzlich noch extra Geld bezahlt werden, bevor man zu seinem, eigentlich verbürgten Recht kam.

    Die Grundbücher Karnatakas wurden alle handschriftlich geführt. Um sie über das Internet zugänglich zu machen, mussten zwanzig Millionen Grundbucheintragungen eingescannt und digitalisiert werden. Anschließend wurden alle Daten auf dem Zentral-Computer gespeichert. Seit zwei Jahren sind nur noch die im Zentralrechner gespeicherten Grundbuchdaten im rechtsgültig.

    Über ein im ganzen Bundesstaat Karnataka gespanntes Netz von Internet-Kiosken greifen die inzwischen entsprechend geschulten Landverwalter auf das zentrale Kataster zu. So können innerhalb kürzester Zeit Grundbucheintragungen online eingesehen, bearbeitet und zentral aktualisiert werden. Die Verwalter identifizieren sich durch persönliche Kennung und Fingerabdruck, jede Änderung am Datenbestand ist somit nachweisbar und bedarf zudem der Autorisierung durch einen Vorgesetzten in der Zentrale. Dadurch sind Missbrauch und fehlerhafte Eingaben bei der Pflege der digitalen Grundbücher nahezu ausgeschlossen.

    Das "Bhoomi"-Projekt ist bei den südindischen Bauern gut angekommen. Auch wenn die neue Technik immer noch etwas fremd bleibt. Ravi Rangan:

    An den meisten Kioske ist immer noch jemand, der helfen kann. Wegen des kulturellen Umfelds und weil viele einfach nicht wissen, wie man einen Computer bedient. Aber wir glauben, es ist nur eine Frage der Zeit, bis das System wie eine Fahrkartenautomat bei Ihnen im Westen funktioniert, an dem die Leute bekommen, was sie wollen.