In 99 Jahren Chemie-Nobelpreis war der von 1993 wohl einer der glorreichsten - vor allem die Geschichte hinter der Entdeckung, erzählt vom Preisträger selbst, dem US-Amerikaner Kary Mullis:
Es war ein Geistesblitz. Bei Nacht, unterwegs auf einer Mond-beschienenen Bergstraße. Ich fuhr gemächlich mit meinem Wagen zu den Mammutbaum-Wäldern im Norden Kaliforniens, als plötzlich die Eingebung kam ...
Fast 20 Jahre lang hatten sich Genetiker bis dahin den Kopf darüber zerbrochen, wie man die Erbsubstanz DNA im Labor vervielfältigen könnte. Um überhaupt erst richtig mir ihr arbeiten zu können. Da trat der Biochemiker Kary Mullis eine legendäre Nachtfahrt an, zusammen mit einer Freundin ...
Sie war eingeschlafen. Ich fuhr gerne nachts. Drei Stunden lang nur Hände und Füße beschäftigt, die Gedanken frei ...
Am Steuer kam Mullis darauf, wie man in ein paar Stunden ein Molekül DNA 'mal eben so milliardenfach kopiert. Und das ohne großen Aufwand: mit einem Reagenzglas, einer Wärmequelle und ein paar Zutaten. Damit war sie geboren, die Polymerase-Kettenreaktion. Sie ist heute aus keinem Gen-Labor mehr wegzudenken. Aber schon immer galt der Prophet ja wenig im eigenen Auto ...
Du wirst es nicht glauben!" jubelte ich. "Es ist unfassbar!" Sie ignorierte meine Sternstunde und schlief weiter.
Das ist gelegentlich das Problem der Preisträger in der Sparte Chemie: Dem Außenstehenden erschließt sich nicht gleich, worin genau der Nutzen ihrer Entdeckungen liegt.
Das ging schon 1901 los, im Jahr der Preis-Premiere, als der Holländer Jacobus Henricus van't Hoff geehrt wurde - unter anderem für seine Forschungen über den osmotischen Druck in Flüssigkeiten. Zwei Jahre würdigte man Arrhenius, den berühmten schwedischen Chemiker, für seine "elektrolytische Theorie der Dissoziation". Lorbeeren gab es später auch für fundamentale "Reziprozitäts-Beziehungen" in der Thermodynamik irreversibler Prozesse. Kein Wunder, dass die Schwedische Akademie der Wissenschaften mitunter seitenlang erläutern muss, was die von ihr Geehrten da nun vollbracht haben.
Meist aber sprechen die Entdeckungen doch für sich. Etliche Chemie-Nobelpreisträger klärten die Struktur verschiedener Enzyme, Vitamine und Hormone auf und stellten sie im Labor her. Viele wurden ausgezeichnet für neue Wege bei der Stoffsynthese, andere dafür, dass sie das Periodensystem um neue, künstliche Elemente erweiterten.
Auch chemische Grundlagenforschung hat das Nobel-Komitee immer wieder belohnt. Sei es, dass Forscher neue Untersuchungsmethoden entwickelten. Sei es, dass sie die Gesetzmäßigkeiten chemischer Reaktionen entschlüsselten. Die Arbeiten vieler Nobelpreisträger begründeten neue Zweige der Chemie. Etwa die Chemie der Kunststoffe. Oder die Chemie der heute vielbenutzten metall-organischen Verbindungen.
Chemie-Nobelpreisträger bescherten der Welt so ziemlich alles - den Kernbrennstoff Plutonium, den Massengebrauchsartikel Plastik, den Schlüssel zur Herstellung unzähliger Arznei-, Nähr- und Werkstoffe. Aber auch Einblicke in die Photochemie der Pflanzen und in die der Erdatmosphäre. So erhielten vor sechs Jahren auch jene Wissenschaftler den Chemie-Nobelpreis, die früh vor einer Zerstörung der Ozonschicht gewarnt hatten ...
Selten ehrt das Nobel-Komitee die eine Entwicklung wie im Fall von Kary Mullis' nächtlichem Geistesblitz im Auto. Chemiker mit weniger bedeutsamen Eingebungen müssen gleichwohl nicht verzagen. Wer etwas hinreichend Spektakuläres für den ganz normalen Alltag kreiert, darf auf den "Ig-Nobelpreis" hoffen. Der wird gestiftet von der Zeitschrift Annals of Improbable Research, den "Annalen für sagenhafte Forschung". Sie honorieren chemisch-technische Errungenschaften, die Normalsterbliche wirklich bewegen - so zuletzt eine Waschmaschinen-geeignete Windelhose mit Aktivkohle-Filter gegen Blähungen: Entfernt Gerüche, bevor sie entweichen. Eindeutig preiswürdig ...
[Quelle: Volker Mrasek, Kary Mullis]
Es war ein Geistesblitz. Bei Nacht, unterwegs auf einer Mond-beschienenen Bergstraße. Ich fuhr gemächlich mit meinem Wagen zu den Mammutbaum-Wäldern im Norden Kaliforniens, als plötzlich die Eingebung kam ...
Fast 20 Jahre lang hatten sich Genetiker bis dahin den Kopf darüber zerbrochen, wie man die Erbsubstanz DNA im Labor vervielfältigen könnte. Um überhaupt erst richtig mir ihr arbeiten zu können. Da trat der Biochemiker Kary Mullis eine legendäre Nachtfahrt an, zusammen mit einer Freundin ...
Sie war eingeschlafen. Ich fuhr gerne nachts. Drei Stunden lang nur Hände und Füße beschäftigt, die Gedanken frei ...
Am Steuer kam Mullis darauf, wie man in ein paar Stunden ein Molekül DNA 'mal eben so milliardenfach kopiert. Und das ohne großen Aufwand: mit einem Reagenzglas, einer Wärmequelle und ein paar Zutaten. Damit war sie geboren, die Polymerase-Kettenreaktion. Sie ist heute aus keinem Gen-Labor mehr wegzudenken. Aber schon immer galt der Prophet ja wenig im eigenen Auto ...
Du wirst es nicht glauben!" jubelte ich. "Es ist unfassbar!" Sie ignorierte meine Sternstunde und schlief weiter.
Das ist gelegentlich das Problem der Preisträger in der Sparte Chemie: Dem Außenstehenden erschließt sich nicht gleich, worin genau der Nutzen ihrer Entdeckungen liegt.
Das ging schon 1901 los, im Jahr der Preis-Premiere, als der Holländer Jacobus Henricus van't Hoff geehrt wurde - unter anderem für seine Forschungen über den osmotischen Druck in Flüssigkeiten. Zwei Jahre würdigte man Arrhenius, den berühmten schwedischen Chemiker, für seine "elektrolytische Theorie der Dissoziation". Lorbeeren gab es später auch für fundamentale "Reziprozitäts-Beziehungen" in der Thermodynamik irreversibler Prozesse. Kein Wunder, dass die Schwedische Akademie der Wissenschaften mitunter seitenlang erläutern muss, was die von ihr Geehrten da nun vollbracht haben.
Meist aber sprechen die Entdeckungen doch für sich. Etliche Chemie-Nobelpreisträger klärten die Struktur verschiedener Enzyme, Vitamine und Hormone auf und stellten sie im Labor her. Viele wurden ausgezeichnet für neue Wege bei der Stoffsynthese, andere dafür, dass sie das Periodensystem um neue, künstliche Elemente erweiterten.
Auch chemische Grundlagenforschung hat das Nobel-Komitee immer wieder belohnt. Sei es, dass Forscher neue Untersuchungsmethoden entwickelten. Sei es, dass sie die Gesetzmäßigkeiten chemischer Reaktionen entschlüsselten. Die Arbeiten vieler Nobelpreisträger begründeten neue Zweige der Chemie. Etwa die Chemie der Kunststoffe. Oder die Chemie der heute vielbenutzten metall-organischen Verbindungen.
Chemie-Nobelpreisträger bescherten der Welt so ziemlich alles - den Kernbrennstoff Plutonium, den Massengebrauchsartikel Plastik, den Schlüssel zur Herstellung unzähliger Arznei-, Nähr- und Werkstoffe. Aber auch Einblicke in die Photochemie der Pflanzen und in die der Erdatmosphäre. So erhielten vor sechs Jahren auch jene Wissenschaftler den Chemie-Nobelpreis, die früh vor einer Zerstörung der Ozonschicht gewarnt hatten ...
Selten ehrt das Nobel-Komitee die eine Entwicklung wie im Fall von Kary Mullis' nächtlichem Geistesblitz im Auto. Chemiker mit weniger bedeutsamen Eingebungen müssen gleichwohl nicht verzagen. Wer etwas hinreichend Spektakuläres für den ganz normalen Alltag kreiert, darf auf den "Ig-Nobelpreis" hoffen. Der wird gestiftet von der Zeitschrift Annals of Improbable Research, den "Annalen für sagenhafte Forschung". Sie honorieren chemisch-technische Errungenschaften, die Normalsterbliche wirklich bewegen - so zuletzt eine Waschmaschinen-geeignete Windelhose mit Aktivkohle-Filter gegen Blähungen: Entfernt Gerüche, bevor sie entweichen. Eindeutig preiswürdig ...
[Quelle: Volker Mrasek, Kary Mullis]