Archiv


Grundsaniert mit Dreifach-Eröffnung

Das sanierte Lenbachhaus in München macht mit gleich drei Neueröffnungen auf sich aufmerksam. Den Auftakt bildete die Neupräsentation der Gegenwartskunst. Die Auswahl der Werke ist vielschichtig, in ihrer Gesamtheit aber nicht immer nachvollziehbar.

Von Christian Gampert |
    Gülden glänzt die seltsam wehrhafte Fassade aus Metallblechen, die der britische Architekt Norman Foster seinem Anbau an das alte, verspielte, ockerfarbene Lenbachhaus verpasst hat. Anfang Mai wird das zudem grundsanierte städtische Kunstmuseum wiedereröffnet, und man feiert das Ereignis häppchenweise - offenbar mit gutem Grund: mit drei Presseterminen kommt man auch dreimal in die Medien.

    Der demnächst scheidende Direktor Helmut Friedel wandte sich auf einer ersten Pressekonferenz nun aber mit der inständigen Bitte an die Journalisten, man möge das Haus aus seiner Sammlung heraus begreifen und nicht von seiner Architektur her. Was soll das bedeuten? Ist man so stolz auf die Sammlung oder so wenig überzeugt von Norman Fosters Neubau?

    Wie auch immer: Der erste Teil der Eröffnung fand unter Tage statt. Im sogenannten "Kunstbau", einer in der U-Bahn-Station Königsplatz gelegenen Ausstellungsfläche gegenüber dem Museum, präsentiert das Lenbachhaus jene Gegenwartskünstler, die ihm besonders am Herzen liegen. Das sind zum Beispiel Thomas Scheibitz mit seinen buntflächigen Raum-Dekonstruktionen, Maria Lassnig mit ihren Erkundungen der weiblichen Identität – und jede Menge Videokunst, von Valie Export bis Dieter Meier und Harun Farocki.

    Dass das Lenbachhaus schon sehr früh, in den 1970er-Jahren, mit dem Ausstellen und Sammeln von Videokunst begann, wurde dann auch immer wieder betont. Man verstehe sich durchaus als "Produktionsort" und fördere ganz parteiisch ausgewählte Künstler mit Werkaufträgen. Das Museum ist ja in der renaissance-artigen Künstlervilla des Münchner "Malerfürsten" Franz von Lenbach beheimatet, die einst einen Wohn- und einen Atelierflügel besaß, und diese Ateliertradition möchte man weiterführen. Andererseits besitzt man eine vorzügliche Sammlung besonders Münchner Maler des 19.Jahrhunderts und instruktive Beispiele der klassischen Moderne bis in die Gegenwart hinein - was im Altbau jetzt schon mal vorab präsentiert wurde. Joseph Beuys und die berühmten Werke des "Blauen Reiter" aus der Sammlung der Gabriele Münter werden dann im Mai nachgereicht.

    Wenn man das sanierte Haus betritt, wird man zunächst mit den grotesken Plastiken des Österreichers Erwin Wurm konfrontiert: in den Gängen stehen zwergenhafte Alltagsmenschen und hängen übergroße Pullover. Wer will, der steigt dann hoch in die weiß gehaltenen Räume des Neubaus, wo von den Farbflächen des Ellsworth Kelly bis zu den meditativen Datums-Schriftbildern des On Kawara einige Ikonen von Hard Edge und Konzeptualismus zu sehen sind.

    Dann geht es aber ziemlich schnell weiter in Richtung Gegenwart: nochmal Valie Export, die sich auf Video (in der berühmten "Tapp- und Tastkino-Aktion) den Busen begrabschen lässt, ein bisschen wirr im Raum verteilte Assemblagen von Isa Genzken, die mit Fotoarbeiten von Wolfgang Tillmanns kombiniert sind; später dann eine beeindruckend klare und gewalttätige Installation von Monica Bonvicini, die uns durch eine Art Folterkammer führt.

    Problematisch ist jener Teil der Sammlungspräsentation, der dem 19. Jahrhundert gewidmet ist. Hier haben sich die Kuratoren entschlossen, die Werke nicht auf weißem, sondern auf farbigem, meist abgedunkeltem Grund zu zeigen. Mit unterschiedlichen Effekten: während der in Grautönen gehaltene Hintergrund bei den Porträts des Wilhelm Leibl oder Wilhelm Trübners Landschaften die Bilder suggestiv verstärkt, fragt man sich bei den Spitzweg-Idyllen, ob die farbige Wand die Bilder nicht doch mit einer gar nicht vorhandenen Bedeutungslastigkeit auflädt.

    Das Lenbachhaus ist, im Gegensatz zu der feudal bestückten Alten Pinakothek, eine bürgerliche Sammlung: hier gibt es Familienporträts, Bauernhäuser von Carl Schuch, völlig unklassische Akte von Max Slevogt oder Lovis Corinths sarkastisches Gruppenbild "Die Logenbrüder" von 1899. Die Sammlung spiegelt die andere, die demokratische Tradition der Kunstgeschichte. Dass die Räume nun eine Mischung aus Tageslicht und Kunstlicht haben, letzteres wird mit LED-Lampen nur indirekt eingesetzt, ist effektvoll und schön. Nicht wirklich nachvollziehbar ist, dass am Ende des Parcours zum 19.Jahrhundert ein Raum mit neuesten Arbeiten von Gerhard Richter folgt. Diese abstrakten Bilder und die quer gestellten "Strips" sind natürlich ein absichtsvoll herbeigeführter Bruch. Ob er produktiv ist, muss sich erst noch erweisen.