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Grundsatzurteil im Streit um Pechstein

Die Eisschnelllauf-Saison ist zwar vorbei, doch Claudia Pechstein ist noch immer aktiv, über ihre Anwälte. Vor Gericht kassierte sie jetzt eine Niederlage.

Von Grit Hartmann | 06.05.2011

    Auf der Homepage von Claudia Pechstein flimmert noch immer die Zeile "Comeback mit Happy End" über den Bildschirm, die Nachricht von den zwei Bronzenen bei der WM vor acht Wochen. Heute indes dürfte das andauernde Stimmungshoch der Eisschnellläuferin getrübt worden sein: Das Hamburger Landgericht wies ihre Klage gegen den Nürnberger Pharmakologen Fritz Sörgel ab. Es war das wohl wichtigste unter zahlreichen Verfahren, die Pechsteins Anwälte noch führen, denn es berührte eine Grundsatzfrage: Was darf man öffentlich überhaupt noch sagen zu dieser umstrittenen Dopingcausa, ohne eine Klage zu riskieren?

    Sörgel bestand darauf, dass Pechstein seiner Meinung nach gedopt hat. Dem Bayerischen Rundfunk gab er im März 2010 zu Protokoll, die bei ihr erhöhten Retikulozyten zeigten quasi als Reporterzellen, dass am Blutbildungssystem manipuliert worden sei. "Dies", so Sörgel wörtlich, "steht fest. Nur was es war, können wir noch nicht sagen."

    Zunächst untersagte die Pressekammer des Hamburger Landgerichts Sörgel diese Äußerung per Einstweiliger Verfügung. Mehr noch: Die Richter verboten sogar, "den Eindruck zu erwecken", Pechstein habe Dopingmittel genommen oder verbotene Methoden zur Leistungssteigerung angewandt. Das hieß: Man durfte öffentlich nicht sagen, was Sportgerichte festgestellt und auch Schweizer Bundesrichter nicht korrigiert haben. Pechstein triumphierte auf ihrer Homepage: "Die vom Sport selbst geschaffene Gerichtsbarkeit" möge ja "wegen angeblichen Dopings" gegen sie entscheiden. Im deutschen Zivilrecht sei dies nicht möglich. Das war mindestens voreilig. Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist - Sörgel sieht es als Stärkung der Meinungsfreiheit:

    "Ich hab mich über dieses Urteil natürlich gefreut, weil ich mich sehr intensiv wissenschaftlich mit dem Fall auseinandergesetzt habe und nicht leichtfertig über die möglichen Dopingformen geäußert habe. Und natürlich ist es für einen Wissenschaftler wichtig, dass ihm per Gericht nicht verboten wird, seine Hypothesen auch zu diskutieren."