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Grundstücksverkäufe und Wohnungsmangel
Wie der Bund an steigenden Mieten mitverdient

Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware in Berlin. Der Stadt fehlt es an geeignetem Bauland für neue Sozialwohnungen, auch weil Bund und Deutsche Bahn ihre Grundstücke zu Höchstpreisen verkaufen.

Von Eleni Klotsikas | 14.11.2017
    Eine Berliner Demonstration gegen steigende Mieten
    Demonstrationen gegen steigende Mieten und soziale Verdrängung: immer wieder kommt es in Berlin zu solchen Protesten. (dpa/Maurizio Gambarini)
    Auf der großen Baufläche in der Stallschreiber Straße in Berlin Mitte schaufeln die Bagger riesige Löcher in den Boden. Das Fundamt wird gebaut für 350 Luxuswohnungen, bezugsfertig 2019. Zum Verkauf angeboten werden sie jetzt schon im Internet. Investor und Architekten preisen den hohem Komfort der sogenannten "Parkisidehouses im Quartier Luisenpark" an:
    "Die Lage ist ausgezeichnet und sehr zentral, zwischen Alex und Potsdamer Platz." … "Wir haben fünf Meter Vorgartenzone, das erlaubt uns eine große Privatheit."
    Zwei Zimmer für 370.000 Euro
    Und das hat seinen stolzen Preis: Eine Dreizimmer-Wohnung mit Dachterrasse kostet knapp 950.000 Euro, zwei Zimmer auf 46 Quadratmetern sind für 370.000 Euro zu haben.
    Die Instone Real Estate GmbH muss Rendite machen. Für knapp 30 Millionen Euro hatte der Investor das Grundstück 2016 von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kurz Bima, gekauft. Das war der Höchstpreis, den der Bund dafür erzielen konnte. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft WBM wollte das Grundstück ebenfalls kaufen, um darauf Sozialwohnungen zu bauen, unterlag im Bieterverfahren aber deutlich.
    Da es in Berlin massiv an bezahlbarem Wohnraum mangelt, sei das Verhalten des Bundes unverantwortlich, sagt die Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Lisa Paus:
    "Es ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, warum der Bund wie jeder gemeine Privatinvestor nur zu Höchstpreisen verkauft, der Bund hat andere Aufgaben, er hat auch das Gemeinwohl mit zu berücksichtigen. Stattdessen müssen wir erleben, dass der Bund zentraler Mitpreistreiber ist. Dieser Kiez wird umkippen und Schuld daran trägt der Bund mit seiner Höchstpreispolitik.
    Auch die Bahn treibt die Preise in die Höhe
    Aus dem Bürofenster im 14. Stock der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kann Staatssekretär Sebastian Scheel Berlin von oben überblicken. Die Stadt wächst. Nach neuesten Berechnungen müsste der Senat jährlich 20.000 neue bezahlbare Wohnungen bauen, um den Bedarf zu decken.
    Doch Baugrund ist knapp und teuer. Vor einem Monat hat das Land Berlin wieder ein Bieterverfahren verloren. Diesmal ging es um ein Grundstück, das die Deutsche Bahn verkauft hat. Den Zuschlag bekam wieder der Meistbietende. Der Plan des Senats, 400 neue Wohnungen zu bauen, ist zerplatzt wie eine Seifenblase. Sebastian Scheel äußert Unverständnis:
    "So ein großer am Ende 100 Prozent in Staatsbesitz befindlicher Konzern wie die Deutsche Bahn hat eben auch eine Verantwortung vor Ort hat, und wenn hier mehrfach zum Ausdruck gebracht wurde, dass es eine Chance gibt einer Entwicklung von mehren hundert Wohnungen, auch eben Sozialwohnungen, und die Bahn sagt, ja ihr könnt es haben, aber uns nötigt spekulative Preise noch zu überbieten, dann haben wir ein Problem in Deutschland."

    Ein Problem haben auch viele Mieter mehrerer Siedlungen in Zehlendorf und Steglitz, die dem Bund gehören. Gerade haben sie wieder eine Mieterhöhung erhalten, bereits die zweite in einem Jahr. Betroffen ist davon auch der Familienvater Michael Kalverkamp. Er hat sich mit anderen Mietern zusammengeschlossen, dabei kam heraus:
    Auf der Baustelle eines Wohnungsneubaus im Jahr 2014 in Berlin sind Rohbauten und Kräne zu sehen.
    Bei den hohen Grundstückspreisen kann die Stadt nicht mithalten. (picture alliance / dpa / Daniel Naupold)
    "Bei allen Erhöhungen, von denen wir nun Kenntnis haben, stellen wir fest, dass die Mieterhöhungsverlangen immer sich an den oberen Rand des Mietspiegels bewegen."
    Bei einer anstehenden Neuvermietung im Nachbarhaus beabsichtigt die Bima die Miete einer 110-qm-Wohnung sogar um 45 Prozent anzuheben: von vorher 1190 auf über 1700 Euro. Damit treibe die Bima den Mietspiegel noch weiter in die Höhe, empört sich Michael Kalverkamp. Zusammen mit seinen Mitstreitern hat er dem Finanzminister einen Brief geschrieben. Er fordert darin sozialverträgliche Mietpreise:
    "Der entscheidende Punkt dabei ist, dass wir hier in den Siedlungen sehr viel gering- und normal-durchschnittlich verdienende Familien haben, aber auch ältere Rentner, denen diese Art von Mieterhöhung langsam an die Substanz geht."
    Bima muss laut Gesetz Höchstpreise nehmen
    Der Brief der Mieter blieb unbeantwortet. Genauso wie die vielen Schreiben der Senatsverwaltung, die den Bund zur Mäßigung bei Grundstücksverkäufen auffordert.
    Gegenüber dem Deutschlandradio erklärt das Finanzministerium, die Bima müsse Höchstpreise verlangen, das sei Gesetz:
    "Nach Paragraph 1, Absatz 1, des Gesetzes über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben gehört es zu den gesetzlichen Verpflichtungen der eigenverantwortlich handelnden Bima, die nicht benötigten Bundesliegenschaften zum vollen Preis zu veräußern."
    Die Grünen wollen das Gesetz ändern
    Dieses Gesetz muss endlich geändert werden, fordert Bundestagsabgeordnete Lisa Paus und verspricht, dass sich die Grünen dafür in den Koalitionsverhandlungen einsetzen werden:
    "Man kann dieses Gesetz schlicht mit einer einfachen Mehrheit im deutschen Bundestag ändern, das wollen wir, damit endlich auch andere Kriterien ein Rolle spielen bei dem Verkauf von öffentlichem Grund und Boden, nämlich soziale Kriterien."
    Doch ob es dazu kommt, bleibt ungewiss. Bis dahin steigen die Mieten weiter rasant und der Bund verdient daran kräftig mit.