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Gruß aus der Frühzeit

Planetologie. – Nach siebenjähriger Reise zum Kometen Wild-2 ist die US-Raumsonde "Stardust" wohlbehalten zur Erde zurückgekehrt und hat ihren Probenbehälter mit Kometenstaub planmäßig in der Wüste des US-Bundesstaats Utah abgesetzt. Jetzt können Wissenschaftler rund um die Welt an die Analyse der Kometenstaubkörner gehen. Unter ihnen ist auch ein Team der Universität Münster.

Von Hermann-Michael Hahn |
    An Bord der zurückgekehrten Stardust-Sonde erwarten die Forscher rund 3000 winzige Staubteilchen aus der Umgebung des Kometen Wild 2. Anfang Januar 2004 war die Sonde in einer Entfernung von nur 240 Kilometern an diesem Kometen vorbeigeflogen und hatte dabei Bilder und Messungen gemacht sowie Teilchen aus dem Kometenschweif aufgefangen. Professor Elmar Jessberger, Direktor des Instituts für Planetologie der Universität Münster:

    "Das sind richtige Staubteilchen, die man also makroskopisch handhaben kann. Die sind sehr klein, aber immerhin, wenn man eine genügend ruhige Hand hat und ein Mikroskop, dann kann man diese Teilchen schon handhaben. Wir bezeichnen die als Felsen."

    Etwa zehn bis 20 dieser nur wenige hundertstel Millimeter großen "Felsen" werden demnächst in Münster eintreffen, wo sie mit einem besonders materialschonenden Verfahren nahezu zerstörungsfrei analysiert werden sollen. Dazu kommt ein so genanntes Flugzeit-Sekundärionen-Massenspektrometer zum Einsatz - ein Laborgerät, das ursprünglich für die Material- und Oberflächenanalyse im Bereich der organischen Chemie und der Chipherstellung entwickelt und genutzt wurde.

    Wie dieses Verfahren im einzelnen funktioniert, erläutert Dr. Thomas Stephan. Er hat die Methode für diese Untersuchungen verfeinert hat und gehört vier von insgesamt sechs Wissenschaftlerteams an, die im ersten halben Jahr von der NASA einen Exklusiv-Zugang zu den Kometenproben erhalten.

    "Wir beschießen unsere Proben mit Gallium-Ionen. Gallium-Ionen nimmt man deswegen, weil man die sehr gut, sehr fein auf die Probe fokussieren kann. Man hat hier einen Strahldurchmesser von 0,2 Mikrometer, also winzig klein, und damit kann man eben dann die Probe sehr fein abrastern. Aus der Probe wird dann Material abgelöst in Form von Ionen, geladenen Atomen oder Molekülen, die man dann in einem Massenspektrometer untersucht, das heißt, sehr genau auf ihre Masse untersuchen kann, und damit kann man dann eindeutig identifizieren, welche Art von Atomen oder Isotopen oder Molekülen man vorliegen hat."

    Im Prinzip wirkt dieser gepulste Strahl aus Gallium-Ionen wie ein Sandstrahlgebläse. Und ein starkes elektrisches Feld sorgt dafür, dass die herausgelösten Sekundärionen sich gleich auf die zwei Meter lange Rennstrecke im Innern eines evakuierten Metallrohres begeben. Auf diesem Weg werden sie dann entsprechend ihrer unterschiedlichen Massen sortiert, denn je schwerer die einzelnen Teilchen sind, desto länger brauchen sie, um die Ziellinie zu erreichen. Dort registriert ein Detektor Zeitpunkt und Anzahl der eintreffenden Partikel. Dr. Stephan:

    "Sehr wichtig ist, dass man eine sehr genaue Zeitmessung hat für die Flugzeit der Sekundärionen, die dabei entstehen, und da haben wir also eine Zeitauflösung von 100 Pikosekunden ..."

    ... was einer Zehnmilliardstel Sekunde entspricht. Das reicht, um beispielsweise Magnesiumoxid-Ionen von Calcium-Ionen oder Calciumoxid-Ionen von Eisen-Ionen unterscheiden zu können; die Massendifferenz liegt in beiden Fällen bei 0,4 Promille.

    Von den Untersuchungen erhoffen sich die Forscher wichtige Rückschlüsse auf die Natur der Kometen und die Entstehungsgeschichte des Sonnensystems - denn: Kometen haben die Materie aus der Anfangszeit wie in einer Tiefkühltruhe bis heute weitgehend unverändert erhalten. Noch einmal Professor Elmar Jessberger:

    "Der Zustand der Materie vom Anbeginn des Sonnensystems ist in dem Kometen eingefroren. Wir erwarten durch die Laboranalyse natürlich sehr viel tiefere und detailliertere Kenntnis über diesen Zustand der Materie zu Beginn des Sonnensystems, viel tiefer, als wir das bei Halley gefunden haben: Wir hatten fünf Minuten Messzeit bei der Halley-Mission, und jetzt haben wir das Zeug im Labor."