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"Guards at the Taj"
Zwischen Slapstick und exzessiver Grausamkeit

In seinem neuen Stück "Guards at the Taj" am New Yorker Atlantic Theater erzählt Erfolgsautor Rajiv Joseph die Geschichte zweier Wächter am Taj Mahal im 17. Jahrhundert. Die Ausgangslage ist eine urkomische Situation, die die beiden Hauptdarsteller glänzend für sich nutzen. Die Bedeutung des Stückes für die heutige Zeit bleibt jedoch offen.

Von Andreas Robertz |
    Der amerikanische Dramatiker Rajiv Joseph gehört zu einer Generation von Autoren, die ähnlich wie Ayad Akhtar, über dessen Premieren "Disgraced" und "The Invisible Hand" wir diese Spielzeit aus New York berichtet haben, an der Schnittstelle verschiedener Kulturen aufgewachsen sind: bei Ayad Akhtar einem amerikanisch-pakistanischen Elternhaus, bei Rajiv Joseph einem euroamerikanisch-indischen. Und beide gehören mittlerweile zu den meistgespielten neuen Autoren in Amerika. Rajiv Josephs Stück "Benghal Tiger at the Baghdad Zoo" über ein kriegszerstörtes und von Geistern heimgesuchtes Bagdad wurde mit Robin Williams in der Hauptrolle 2010 am Broadway uraufgeführt. Seitdem hat der geschäftige Autor sechs weitere Stücke vorgelegt, die in Chicago, L.A. und San Francisco nationale Preise gewannen. Seine Vorliebe für besondere Orte spielt in seinem neuesten Stück "Guards at the Taj", das jetzt am New Yorker Atlantik Theater uraufgeführt wurde, eine wichtige Rolle.
    Zwei Wächter vor einem steinernen Tor. Sie dürfen sich nicht bewegen und eigentlich auch nicht sprechen, doch der jüngere Babur kann es einfach nicht lassen, seinen Freund Humayun zu ärgern. Erst kommt er zu spät und dann muss er auch noch unbedingt alles erörtern, was an diesem besonderen Tag in seinem Kopf umherschwirrt. Denn heute ist der Tag, an dem nach 16-jähriger Bauzeit Kaiser Shah Jahan der Welt erlaubt, bei Sonnenaufgang zum ersten Mal den Blick auf das fertige Taj Mahal zu werfen. Doch die Unglücklichen müssen nach Osten gen Sonne schauen und es ist ihnen unter hoher Strafe verboten sich umzudrehen. Ein Dilemma für den diensteifrigen Humayun, dessen Vater ein hoher General in der kaiserlichen Armee ist.
    So beginnt Rajiv Josephs "Guards at the Taj" - eine urkomische Situation, die die beiden Schauspieler Omar Metwally und Arian Moayed glänzend für sich nutzen. Wie die beiden Landstreicher aus "Warten auf Godot" debattieren die beiden über Pflicht und mögliche Strafe, über Träume, ihre Rolle im Universum und das schönste Gebäude, das die Welt je gesehen hat. Am Ende der Szene geht die Sonne auf und natürlich drehen sich die beiden um und schauen mit tränenden Augen verzückt ins Publikum. "Die Welt schaut nicht auf uns," sagt Babur," sie schaut dorthin" und weist auf das Weltwunder irgendwo hinter dem Publikum. Szenenwechsel: Das Steintor hat sich geöffnet und zeigt ein unterirdisches Verlies mit einem Hackklotz und Körben voll abgehackter Hände, Babur und Humayun stehen knöcheltief in einem See von Blut.
    Die alte Frage nach dem richtigen Handeln unter widrigen Umständen
    Nach einer Verordnung des Kaisers mussten allen 20.000 Arbeitern und Architekten die Hände abgeschlagen werden, damit niemals ein schöneres Bauwerk gebaut werden könne, und wegen ihres Ungehorsams fällt diese Rolle den beiden Wächtern zu. Humayun ist vom Ausbrennen der Armstümpfe kurzfristig erblindet und Babur kann mit seinen verkrampften Händen das Schwert nicht mehr loslassen. Autor Rajiv Joseph bedient sich hier einer unbewiesenen Legende, die sich um den Bau des berühmten Bauwerks rankt.
    Er stellt die alte Frage nach dem richtigen Handeln unter widrigen Umständen. Für Humayun ist es ein schrecklicher Job, der möglichst professionell getan werden muss. Doch für den Träumer Babur, der die Klinge geführt hat, bricht eine Welt zusammen. In einfacher, aber unschlagbarer Logik argumentiert er, dass er mit dieser Tat die Schönheit selbst zerstört habe, denn wenn nichts Schöneres mehr erschaffen werden kann, stirbt die Schönheit selbst. Während die Freunde darüber streiten, wer die schlimmere Tat begangen hat, reinigen die das Verließ mit Mopp und Wischlumpen und versuchen sich mit imaginären Erfindungen zu übertrumpfen, zum Beispiel einem tragbaren Loch, das man beliebig an Wände kleben und einfach durchklettern kann.
    Beeindruckt von ihrer guten Arbeit befördert der Kaiser die beiden zu seinen persönlichen Leibwächter, ein Traumjob für die beiden. Doch Baburs Träume sind versiegt. Er schlägt vor den Kaiser zu töten. Humayun kann das nicht zulassen und verhaftet seinen Freund. Am Ende muss er, um dessen Leben zu retten, ihm nun selbst die Hände abhacken.
    "Guards at the Taj" ist mit viel Sinn für absurden Humor geschrieben und ist voller philosophischer Metaphern: das Wesen von Schönheit, Freundschaft und Pflicht stehen im Zentrum dieses Albtraums aus tausendundeiner Nacht.
    Regisseurin Amy Morton hat den Abend minimalistisch mit viel Sinn für das Absurde inszeniert, doch man hätte sicher auf allzu realistische Effekte wie das Herausspritzen des Blutes aus Baburs Ärmeln verzichten können. Die Frage bleibt, was hinter der vordergründig interessanten Situation an tieferer Bedeutung steckt. Anders als wie zum Beispiel bei Martin McDonaghs "Pillowman" fehlt es hier an einer tieferen Bedeutungsebene, die verständlich machen würde, warum die Geschichte zweier Wächter im Indien des 17. Jahrhunderts heute relevant sein könnte.
    Trotzdem wilder Applaus für einen durchaus verstörenden Abend zwischen Slapstick und exzessiver Grausamkeit.