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Guatemalas Präsident will die Abgabe von Drogen legalisieren

Der blutige Kampf gegen Lateinamerikas Drogenkartelle hat bisher wenig Erfolge gebracht. Nun will Guatemala neue Wege gehen: Unter staatlicher Kontrolle sollen Drogen künftig legal abgegeben werden. Dagegen regt sich Widerstand – vor allem in der katholischen Kirche.

Von Tobias Käufer | 15.10.2012
    Dieser Vorschlag hat eine Lawine losgetreten: Guatemalas Präsident Otto Pérez Molina will einen radikalen Kurswechsel in der Drogenpolitik einleiten. Der ehemalige General möchte den lateinamerikanischen Drogenkartellen endgültig das Handwerk legen – und das ausgerechnet durch eine legale Abgabe von Drogen unter staatlicher Kontrolle.

    "Nach über 40 Jahren Kampf gegen den Drogenhandel haben wir in Guatemala, Mittelamerika, in Mexiko und Kolumbien eine Route des Todes. Ich glaube, dass es jetzt an der Zeit ist, über Alternativen zu sprechen. Und eine Alternative ist die Entkriminalisierung der Drogen, also die Entkriminalisierung der Produktion, des Handels und des Konsums."

    Pérez Molina wirbt für eine neue Anti-Drogen-Politik. Mit einer Regulierung will er der lateinamerikanischen Drogenmafia die finanzielle Grundlage entziehen. Damit wäre ihre Macht gebrochen, lautet sein Kalkül. Die Einnahmen würden dramatisch sinken, die Produktion wäre nicht mehr so lukrativ. Längst ist die Debatte auch in der lateinamerikanischen Kirche angekommen. Besonders betroffen vom Drogenkrieg ist Mexiko. Rund 60.000 Tote in den vergangenen sechs Jahren befeuern die Diskussion über den richtigen Weg, der Drogen-Mafia die Stirn zu bieten. Der mexikanische Erzbischof Carlos Aguiar Retes aus Tlalnepantla im Südosten des Landes glaubt nicht an eine rein lateinamerikanische Lösung. Er sieht vor allem den reichen Nachbarn im Norden gefordert:

    "Solange sich die Vereinigten Staaten nicht bewusst sind, dass sie als der weltweit größte Drogenmarkt auch der größte Faktor des Problems sind, werden wir nicht in der Lage sein, das Problem zu lösen."

    Erzbischof Aguiar Retes ist als Präsident des lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM einer der einflussreichsten Kirchenführer des Kontinents. Der Mexikaner warnt vor voreiligen Schlüssen. Bevor sich die Gesellschaft auf die Risiken einer Legalisierung von Drogen einlasse, müsse erst eine Debatte erfolgen. Eine effektivere Strategie in der Bekämpfung der Drogenmafia ist nur möglich, wenn auch die globalen Zusammenhänge erkannt und berücksichtigt werden.

    "Von der Legalisierung zu sprechen, ist riskant, weil dann der Eindruck eines Angebotes an die Welt, an die Jugend und die Gesellschaft entstehen könnte. Wir müssen die Augen darauf richten, wer eigentlich davon profitiert, denn das ist ein gigantischer Markt. Wir sprechen über Milliarden von Dollars, die im Spiel sind. Nicht nur mit dem Anbau, dem Transport und dem Verkauf. Wohin gehen diese Milliarden? Wer sind die Profiteure dieses erwirtschafteten Kapitals? Diese Gewinne stecken in Unternehmen, in legalen Unternehmen, die von diesem Geschäft profitieren. Deswegen müssen wir das Problem global betrachten."

    Der Chef des lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM) hat das Thema längst auf die Agenda gesetzt. CELAM-Vizepräsident Rubén Salazar, Erzbischof von Bogotá und zugleich Vorsitzender der kolumbianischen Bischofskonferenz, fordert ebenfalls eine länderübergreifende Diskussion und Lösung. Salazars Heimatland Kolumbien gilt als weltweit größter Kokainproduzent, der die größten Konsummärkte Europa und USA beliefert. Wegen dieser globalen Zusammenhänge fordert Salazar:

    "Wir haben bislang noch keine offizielle Position als CELAM, aber wir sind dabei, die Frage der Folgen einer Entkriminalisierung für jedes einzelne Land zu prüfen. Eine solche Entscheidung kann kein Land alleine treffen, sondern sie muss das Ergebnis eines internationalen Abkommens sein. Als Kirche stehen wir bereit, unseren Beitrag in einer ethischen Debatte dazu zu leisten, welche Entscheidung am Ende am sinnvollsten ist."

    Neben Kolumbien und Mexiko ist Mittelamerika als Transitregion für den Vertrieb der milliardenschweren illegalen Ware besonders von der Gewalt des Drogenkrieges betroffen. Die Kartelle liefern sich hier blutige Kämpfe um die Vorherrschaft auf den Vertriebsrouten Richtung USA. In El Salvador will sich Erzbischof José Luis Escobar Alas nicht allein auf das Bauchgefühl der Gesellschaft verlassen.

    "Warum untersuchen wir nicht in einer umfassenden Studie die Konsequenzen einer solchen Entscheidung, in der nicht finanzielle Interessen im Vordergrund stehen, sondern das Wohl der Gesellschaft? Es darf nicht sein, dass wir blind agieren und die Dinge damit weiter verkomplizieren."

    Lateinamerikas Kirche will der Politik in der ethischen Debatte beiseite stehen, entscheiden muss aber die Politik. Kolumbiens Staatspräsident Juan Manuel Santos fasst das ganze Dilemma zusammen.

    "Wir befinden uns in der Debatte zwischen zwei Extremen. Einerseits gibt es die Politik des harten Durchgreifens bis hin zur Todesstrafe. Auf der anderen Seite den Vorschlag der Legalisierung. Dazwischen gibt es eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten. Aber das kann kein Land alleine entscheiden. Dazu muss ein internationaler Konsens gefunden werden."