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Guck durch die Wand

Techonologie.- Auf Supermanns Spuren wandeln derzeit zwei Forscher aus den USA: Die beiden haben eine Methode entwickelt, mit der sich erkennen lässt, ob sich hinter einer Hauswand etwas bewegt. Mit dem Röntgenblick des Superhelden hat das Ganze allerdings nichts gemeinsam.

Von Frank Grotelüschen |
    Joey Wilson, ein junger Mann in T-Shirt und kurzen Hosen, steht vor einem schlichten Einfamilienhaus in Salt Lake City. Dann geht er zum Eingang und spricht in die laufende Kamera.

    "Wir wollen jetzt von draußen durch die Hauswände gucken und mal sehen, ob sich da drinnen etwas bewegt – und zwar ohne irgendeine Art von Sensor im Haus zu haben."

    Das Ganze, zu sehen auf der Internet-Videoplattform Youtube, ist der Test einer neuen Technologie. Das Testkaninchen ist Joey Wilson. Bevor er im Haus verschwindet, dreht er sich noch mal um.

    "Ich werde gleich einen Weg ablaufen, den wir mit Klebestreifen auf dem Fußboden markiert haben. Damit lässt sich abschätzen, wie genau man meine Schritte von draußen verfolgen kann."

    Und tatsächlich: Als Wilson ins Haus geht, taucht auf dem Bildschirm eines Laptops, auf dem der Grundriss des Hauses zu sehen ist, ein rotes Kreuz auf. Kurz verharrt es an der Eingangstür. Dann wackelt das Kreuz immer an der Wand lang durchs Wohnzimmer, dreht eine zweite Runde und bewegt sich schließlich wieder zur Haustür. Wilson kommt heraus, der Test ist geglückt. Doch wie funktioniert er, der mysteriöse Blick durch die Wand?

    "Es ist ein Zusammenspiel vieler kleiner Funksender. Insgesamt haben wir 34 Sender rings um das Haus herum verteilt, in einem Abstand von jeweils einem Meter. Die Sender funken auf WLAN-Frequenzen. Sie stehen untereinander in Verbindung und messen die zwischen ihnen herrschende Signalstärke. Wenn sich diese Signalstärke ändert, ist das ein Zeichen dafür, dass sich in der Nähe etwas bewegt. Denn sobald sich jemand in der Nähe der Funksender bewegt, stört er deren Feld ein wenig",

    sagt Neal Patwari, der Chef von Joey Wilson. Die beiden haben eine Software geschrieben, die die Signale aller 34 Sender auswertet und daraus ein Bewegungsprofil rekonstruiert.

    "Mit unserer Software können wir auf dem Bildschirm erkennen, wo im Haus eine Person herumläuft. Und zwar können wir ihre Bewegungen bis auf einen Meter genau verfolgen."

    Der Clou: Das Verfahren ist preisgünstig, jedenfalls im Prinzip. Denn die Forscher verwenden handelsübliche Sender, wie sie in der Fernbedienung für eine Heizung stecken. Diese Funksender funktionieren im Prinzip so wie die WLAN-Sender von Laptops, sind aber deutlich günstiger. Patwari und Wilson wollen ihr Verfahren nun verfeinern, wollen größere Gebäude abscannen und mit weniger Sendern auskommen. Dann könnte das Verfahren auch für Anwendungen interessant sein.

    "Wir haben zwei Sachen im Sinn. Das eine wären Sicherheitskräfte, Polizisten etwa oder Militärs: Wenn es ihnen zu gefährlich erscheint, ein Gebäude zu betreten, könnten sie schnell ein paar Sender aufstellen und nachschauen, ob sich darin etwas bewegt. Das andere wäre die Überwachung von Räumen, in denen man keine Überwachungskameras einsetzen kann oder möchte."

    Hier könnte es zum Beispiel um das sogenannte Shopper Tracking gehen, bei dem Marktforscher unbeobachtet das Kaufverhalten ihrer Kunden ergründen wollen. Wo in einem Laden bleiben die Leute bevorzugt stehen, wo hingegen gehen sie schleunigst weiter? Der Polizei hingegen dürfte die Methode nur zum Teil bei der Gangsterjagd helfen. Denn einen Ganoven, der reglos auf der Lauer liegt oder aber ein Nickerchen hält – den übersieht das neue "Guck-durch-die-Wand" ganz einfach.