Archiv


"Gucken wir mal, wie es weitergeht"

Auch bei der Europäischen Union in Brüssel ist die Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag dieser Tage ein wichtiges Thema. Unter den Abgeordneten des EU-Parlaments geht, je nach Fraktion, Nervosität oder leise Hoffnung um. Martin Reiner hat sich vorab unter den deutschen EU-Parlamentariern in Brüssel umgehört.

    Bernhard Rapkay gibt sich entspannt. Dem kräftigen Sozialdemokraten aus Dortmund und Abgeordneten des Europaparlaments ist vor möglichen Neuwahlen im Herbst nicht bange. Anders als viele Meinungsforscher glaubt er nicht, dass die SPD die Bundestagswahl im Herbst verlieren könnte, zumindest bemüht er sich um Zuversicht:

    "Die erfolgreiche Europapolitik, die in den vergangenen Jahren gemacht worden ist, die sollte auch weiter gemacht werden. Deswegen sind wir hier eigentlich immer ganz guten Mutes. Hier ist eigentlich ein Optimismus da. Gucken wir mal, wie es weitergeht. "

    In der sozialistischen Fraktion des Europaparlaments sei Anspannung spürbar. Er müsse seinen Kollegen aus anderen EU-Staaten derzeit viel erklären, vor allem das Verfahren des Misstrauensvotums im Bundestag:

    "In der Frage, dass wir hier eine Entscheidung suchen, nämlich im September 'ne Wahlentscheidung, das musste man hier, genauso wie in Deutschland den eigenen Leuten auch, erklären. "

    Deutschland ist eines der letzten sozialdemokratisch regierten Länder in der Union und auch im Parlament haben seit den letzten Europawahlen die Konservativen die Mehrheit. Im übrigen glaubt Rapkay nicht, dass seine Arbeit als Parlamentarier von einem möglichen Machtwechsel in Deutschland beeinflusst würde:

    "Warum sollte das schwächen? Wir sind hier 'ne eigenständige Institution. Wir haben eine Aufgabe, das ist nicht die Aufgabe, die der Rat hat. Das würde das vielleicht 'n bisschen schwächen im Rat, das weiß ich nicht, da bin ich nicht drin. Da könnte es sein, dass man sagt, na gut, seid ihr überhaupt noch da?"

    Der Europäische Rat, in dem die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sitzen, ist eines der mächtigsten Gremien der EU. Der Rat ist seit dem gescheiterten Finanzgipfel arg geschwächt. Deutsche Diplomaten berichten, dass nicht nur die deutsche Regierung als angeschlagen gilt, sondern noch 6 weitere, darunter Frankreich und die Niederlande. Diplomaten schätzen, dass der Rat der Union frühestens 2007 wieder voll handlungsfähig sein werde, weil bis dahin eine Reihe wichtiger Wahlen in den Mitgliedstaaten anstehen.

    Elmar Brok, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments gehört zur konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei. Er setzt alle seine Hoffnungen darauf, dass im Europäischen Rat demnächst Angela Merkel für Deutschland spricht. Und er sei dabei nicht der einzige in Brüssel:

    "Man hat sehr großes Interesse an diesen Wahlen, weil aufgrund der Krise in der Europäischen Union, der Führungslosigkeit, man sich erhofft, dass eine Bundesregierung, die in der Tradition Helmut Kohls wäre, nämlich nicht nur mit Frankreich, sondern auch mit Washington, aber innerhalb der EU auch besonders mit den Kleinen zusammenarbeiten. Dieses vielleicht eine Chance bietet, aus der Krise heraus zu kommen, weil hier übergreifendes Vertrauen gegeben ist, was ja zwischen den Partnern ziemlich gestört ist, anscheinend."

    Für den Christdemokraten Elmar Brok gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Krise der EU nach den negativen Verfassungsreferenden und dem gescheiterten Finanzgipfel und der politischen Krise in Deutschland:

    "Ich habe den Eindruck, dass man mit der Hoffnung auf einen Regierungswechsel in Deutschland uns hier sehr viel ernster nimmt und wahrnimmt. Und man sagt, Ihr müsst jetzt die Karre aus dem Dreck ziehen."

    Bei den Grünen im Europaparlament sieht man die Lage völlig anders. Angelika Beer, die außen- und verteidigungspolitische Expertin der Fraktion, berichtet von besorgten Nachfragen, wie die deutsche Außenpolitik aussehen würde, wenn Joschka Fischer nicht mehr Außenminister wäre. Sie werde immer wieder gefragt, was man von Edmund Stoiber oder Guido Westerwelle zu halten habe, sollte einer von ihnen Fischer im Amt nachfolgen:

    "Die Frage höre ich, wenn ich in Israel bin, die Frage höre ich, wenn ich in der Türkei bin, oder eben auch im Iran, das heißt es gibt ein außenpolitisches Gewicht mit einer klaren politischen Stoßrichtung gegen militärische gefährliche Manöver wie den Irak und so mancher fragt, ob das alles weg ist, wenn es zu einer neuen Regierung kommt."