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Günstige Tafelfreude?

Die französische Regierung hat die Mehrwertsteuer für Restaurants gesenkt. Im Gegenzug sollten die Gastronomiebesitzer Preise senken und Löhne erhöhen. Doch erst etwa die Hälfte der Betriebe hat sich an diese Abmachungen gehalten.

Von Burkhard Birke |
    "Auf unsere Vor- und Hauptspeise und das Dessert des Tages haben wir die Preise gesenkt - auch auf das Tagesmenü. Kaffee und Wasser sind billiger geworden. Das ist in Krisenzeiten nicht selbstverständlich. Wir verzeichnen Umsatzeinbußen."

    Elodie Piolon gehört zu den vorbildlichen Restaurantbesitzern. Gemäß der Vereinbarung mit der Regierung bietet sie ihren Kunden sieben Produkte auf der Karte billiger an, als Gegenleistung zur Senkung der Mehrwertsteuer von 19,6 auf 5,5 Prozent seit 1. Juli. Ihre Gäste wissen es zu schätzen.

    "Das ist gut. Die halten sich an die Abmachungen. Das ist das Mindeste, was man erwarten kann, weil sie profitiert haben. Die verdienen ein wenig besser und wir kommen ins Restaurant."

    Elodie Piolon hat auch einen neuen Ofen gekauft und ihrem Koch Francois Bernard 300 Euro Gehaltserhöhung im Monat gegönnt.

    "Ohne die Lohnerhöhung hätte ich gekündigt, denn ich finde es unnormal, dass die Firma profitiert, nicht aber der Angestellte."

    Zumindest in der idealen Welt. Viele der 200.000 zum Hotel- und Gaststättenbereich in Frankreich zählenden Etablissements waren und sind in ihrer Existenz bedroht. Ihnen hauchte die Mehrwertsteuersenkung neuen Lebensatem ein. An Preissenkungen oder Lohnerhöhungen wagen sie nicht, zu denken.

    "Wir hätten enorme Schwierigkeiten, vielleicht existierten wir überhaupt nicht mehr. Für viele meiner Kollegen war die Mehrwertsteuersenkung überlebenswichtig. Das ist eine sehr gute Maßnahme."

    Thierry Chausseboeuf hat seine Preise nicht gesenkt. Damit befindet er sich in guter Gesellschaft. Stichproben haben ergeben: Allenfalls die Hälfte aller Gaststätten hat sich an die Abmachungen des Contrat d'Avenir, zu Deutsch des Zukunftsvertrages, gehalten. Er regelt die Gegenleistungen des Gewerbes für die Mehrwertsteuersenkung. Staatssekretär Hervé Novelli:

    "55 Prozent der Restaurants haben sich laut Stichproben strikt an die Abmachungen gehalten und die Preise für sieben Posten auf der Karte gesenkt. Das Statistikamt spricht von etwas weniger als der Hälfte, die Marktaufsicht von etwas mehr als 50 Prozent: Bei den Preisen haben wir die Hälfte des Weges geschafft."

    Der zweite, aus Sicht der Beschäftigten wichtigere Teil der Abmachungen, muss in den meisten Fällen erst noch umgesetzt werden. Denn nicht alle Restaurantbetreiber haben so schnell die Gehälter angehoben wie Elodie Piolon oder denken daran, neues Personal oder Auszubildende einzustellen.

    Fünf Prozent Lohnsteigerung im Schnitt, eine Mehrwertsteuerprämie von zwei Prozent des Jahreslohnes, maximal aber 500 Euro, zwei zusätzliche Urlaubstage und eine Krankenzusatzversicherung: Das sieht nun ein Abkommen zwischen Sozialpartnern und Regierung vor. So richtig zufrieden ist damit keiner. Zwei von fünf Arbeitgeberverbänden haben nicht unterzeichnet. Sie repräsentieren allerdings 80 Prozent des Gewerbes und die Gewerkschaften sehen das Grundübel nicht beseitigt. Stephane Fustec von der CGT:

    "Es gibt etwa 150.000 von Armut betroffene Arbeitnehmer im Hotel- und Gaststättengewerbe. Uns stört vor allem, dass man sich nicht gefragt hat, was man sonst mit den drei Milliarden Euro machen könnte, die die Mehrwertsteuersenkung den Staat kostet."

    Auch was die Reinheit und Nachhaltigkeit dessen anbetrifft, was auf den Teller kommt. Das abschließende Urteil soll in eineinhalb Jahren gefällt werden. Einziges Druckmittel des Staates bleibt die Streichung des 110-Millionen-Euro-Fonds für zinsgünstige Darlehen oder die Drohung die Maßnahme wieder rückgängig zu machen. Das hat der Senat neulich getan. Präsident Nicolas Sarkozy hat freilich angekündigt: Er würde diesen Schritt nie zurückgehen, zumal andere wie Deutschland ihm jetzt folgen wollten.