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Güterzüge im Mittelrheintal

Wenn sich die Verkehrsminister der Länder heute Nachmittag in Berlin treffen, wird es unter anderem um Lärm gehen, zum Beispiel von Güterzügen. Denn der hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen - ein unliebsamer Nebeneffekt des Trends, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlegen. Auch auf beiden Seiten des Rheins brausen die Güterzüge Tag und Nacht durch die Orte, die Anwohner sind genervt und auch die Touristen, zum Beispiel im Rheintal zwischen Koblenz und Rüdesheim/Bingen. Mit seinen Burgen und steilen Weinbergslagen bekam das Mittelrheintal 2001 das Prädikat "UNESCO-Welterbe" verliehen und dieses, befürchtet der rheinland-pfälzische Verkehrsminister, könnte bei einem weiter steigenden Güterverkehrsaufkommen irgendwann aberkannt werden. Nicht zuletzt deshalb will Hendrik Hering seine Ministerkollegen auf ein Aktionsprogramm zur Reduzierung des Bahnlärms einschwören.

Von Gerd Stuhlfauth |
    Die Züge brausen mitten durch Kamp-Bornhofen, dicht vorbei an den Häusern. Der kleine Ort liegt etwa auf halbem Weg zwischen Koblenz und der Loreley. Täglich verkehren hier auf der rechtsrheinischen Strecke rund 250 Züge. Davon etwa 150 Güterzüge. Sie machen besonders viel Krach. Tag und Nacht. Rein rechnerisch dauert es knapp sechs Minuten, bis der nächste kommt. Lärm und Erschütterungen, die Anwohner sind sauer:

    " Da klappern die Tassen im Schrank richtig. Die Gläser, die wandern. Wenn sie keine Unterlage im Schrank haben, machen sie nach drei, vier Tagen die Tür auf, dann fallen die Gläser raus zum Beispiel. Bei der Bahn hat man einfach das Gefühl, wir waren eher da und ihr müsst uns ertragen. Und das ist für uns unerträglich. Man kann verstehen, wenn Touristen in einer Fremdenverkehrsgemeinde wie der unseren abreisen nach ein, zwei Tagen, die eigentlich für ein oder zwei Wochen gebucht haben, die mit dem Lärm so noch nie in Kontakt gekommen sind. "

    Millionen wurden in Lärmschutzwände und Schallschutzfenster investiert. Dennoch: tausende Bürger haben sich bereits in Unterschriftenlisten gegen den Bahnlärm eingetragen, so heißt es beim "Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal". Dass etwas geschehen muss, hat auch die Politik längst erkannt. Der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Hendrik Hering fordert ein bundesweites "Aktionsprogramm". Die Güterwagen - etwa 135.000 gibt es in Deutschland, 90.000 davon gehören der "Deutschen Bahn" - sollen umgerüstet werden: ihre alten Grauguss-Klotzbremsen sollen durch Kunststoff-Bremsen ersetzt werden. Dadurch werden Einkerbungen an den Rädern weitgehend vermieden. Die Rollgeräusche der Züge nehmen ab. Verkehrsminister Hering:

    " Ziel ist, an der Quelle des Lärms anzusetzen, an dem Wagenmaterial, das zum Teil veraltet ist. Wir wollen erreichen, dass ein Programm aufgelegt wird, dass das Material erneuert wird. Insbesondere die Bremsen erneuert werden, mit modernen Bremsen ausgestattet werden. Dies wird dazu führen, dass die Lärmbelästigung um fünfzig Prozent reduziert wird, um zehn Dezibel. Und das wäre eine deutliche Reduzierung des Lärms an der Quelle. "

    Die "Deutsche Bahn" begrüßt den Plan. Die Umrüstung sei sinnvoll, heißt es. Neue Wagen werden bereits mit den so genannten Flüster- Bremsen ausgerüstet. Auch bei den Betroffenen gibt es Zustimmung. Aber auch Skepsis. Willi Pusch aus Kamp-Bornhofen, der Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen den Bahnlärm:

    " Zehn Dezibel Lärmminderung bedeutet, ein subjektives Empfinden um die Hälfte des Lärms. Aber dann haben wir immer noch 97 Dezibel, wenn ein Zug vorbeifährt. Das ist immer noch lauter wie ein Presslufthammer am Bau. "

    Viele Bahnlärmgegner würden den Güterverkehr am liebsten ganz aus dem Rheintal verbannen. Der Neubau einer Ausweichstrecke scheint derzeit aber utopisch. Dem Vorschlag, Güterzüge zumindest in der Nacht auf die ICE-Strecke Köln - Frankfurt umzuleiten, erteilt die Deutsche Bahn eine Absage. Pressesprecher Hans-Georg Zimmermann:

    " Auf die Neubaustrecke Köln - Rhein-Main können wir keine Güterzüge umleiten, weil wir dort Trassierungsparameter haben, das heißt, wir haben dort vier Prozent Neigung, Gefälle. Das können Güterzüge nicht bewältigen. "

    Die Bahn nehme die Anliegen der Menschen sehr ernst, heißt es. Aber: das Rheintal sei eine wichtige Nord-Süd-Achse. Das werde auch so bleiben. Der Mainzer Verkehrsminister Hendrik Hering ist zuversichtlich, seine Länderkollegen auf das "Aktionsprogramm" einschwören zu können. Bezahlen soll allerdings alleine der Bund. Er sei als Eigentümer der DB Netz AG verantwortlich für den Lärmschutz. Rund 600 Millionen Euro würde die Umrüstung aller Wagen kosten, knapp zehn Jahre würde es dauern, so Hering:

    " Der Bund ist hier in der Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Lärmbelästigung reduziert wird. Der Güterverkehr wird zunehmen auf der Schiene, das wollen wir eigentlich, dass Güter von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Das muss aber menschenverträglich sein. Und die Belastung im Mittelrheintal nimmt deutlich zu. Wir müssen einen Beitrag leisten, dass sie reduziert wird. "

    Weil durch Deutschland auch ausländische Güterwagen rollen, müsse das Thema auch im europäischen Rahmen angegangen werden. Sagt Hering.

    Wenn die Zahl der Güterzüge im Mittelrheintal - wie vermutet - in Zukunft weiter zunehmen wird, könnte auch das Prädikat "UNESCO-Welterbe" irgendwann in Frage gestellt werden. Eine Befürchtung, die den Minister antreibt:

    " Wir wollen so zügig und so engagiert für das Mittelrheintal arbeiten, dass diese Frage überhaupt nicht auftaucht. "