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Gurlitt-Bilder
"Ein Fall mit drei Komponenten"

Die Anwälte von Cornelius Gurlitt haben wegen der beschlagnahmten Kunstsammlung Beschwerde bei Gericht eingereicht. Gurlitts Sprecher, Stephan Holzinger, sagte im Deutschlandfunk, der Fall um den Kunstsammlers habe gleich drei Dimensionen. Es gehe um rechtliche Fragen, aber auch um starken Druck aus der Politik und um eine moralische Komponente.

Stephan Holzinger im Gespräch mit Karin Fischer | 19.02.2014
    Karin Fischer: Zu unserem ersten Thema. Nachdem sich das Erstaunen über den Sensations-Fund von 1280 Bildern der Sammlung Gurlitt in einer Münchner Privatwohnung gelegt hatte, meldeten sich schnell Juristen zu Wort mit einem quasi vernichtenden Urteil über die Augsburger Staatsanwaltschaft und die flugs eingerichtete "Taskforce Schwabinger Kunstfund": Weder die Beschlagnahme der Bilder im September 2011 noch die Geheimhaltung über zwei Jahre noch die Veröffentlichung von Teilen der Sammlung im Netz ab November 2013 seien von Recht und Gesetz gedeckt. Bis heute gibt es keine Anklageschrift, und was die in der Sammlung enthaltene Nazi-Raubkunst betrifft, sind die Fälle längst verjährt. Nun fordern die Anwälte von Cornelius Gurlitt die Kunstsammlung des alten Mannes zurück. Vergangenen Freitag haben sie offiziell Beschwerde beim Landgericht Augsburg eingereicht und diesen Schritt heute öffentlich gemacht. Ich habe den Sprecher von Cornelius Gurlitt, Stephan Holzinger, gefragt: Wie genau, Herr Holzinger, lautet denn Ihre Argumentation?
    Stephan Holzinger: Wir haben Beschwerde eingelegt gegen den damaligen Beschlagnahmebeschluss. Diese Beschwerde, in 45 Seiten sehr umfassend auch begründet, stützt sich auf formelle Mängel des damaligen Gerichtsbeschlusses und die mangelnde Verdachtsgrundlage. Wir sehen zudem auch nicht die Beweisrelevanz der beschlagnahmten Bilder für den von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwurf der Einfuhr-Umsatzsteuer-Hinterziehung, und in dem Zusammenhang sehen wir auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip hier nicht gewahrt. Selbst wenn man den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft hier nachgeben würde, stellt sich schon die Frage: War es verhältnismäßig, in diesem Zusammenhang dann 1280 Kunstwerke zu beschlagnahmen?
    Fischer: Stellen Sie das Gebaren des Rechtsstaats prinzipiell in Frage?
    Holzinger: Wir sehen im Fall Gurlitt im Prinzip einen Fall mit drei Komponenten. Natürlich geht es um rechtliche Fragen. Im Zivilrecht reden wir aber hier überwiegend von Verjährung. Wir sehen natürlich eine hohe politische Brisanz und einen hohen politischen Druck auf diesem Fall, weil hier natürlich auch die Frage im Raum steht, politisch international gesehen: Hat denn die Gesetzgebung in Deutschland ihre Hausaufgaben gemacht im Fall Gurlitt, im Fall von möglichen Raubkunstfällen. Da wird ja sehr kontrovers diskutiert. Und natürlich hat der Fall Gurlitt auch eine moralische Komponente. Wir befürchten, dass hier das Strafrecht völlig fehl am Platze ist. Wir können moralische Themen jedenfalls nicht mit dem Strafrecht lösen. Insofern glaube ich, dass das im Prinzip das falsche Forum ist für diesen Fall.
    Fischer: Sie betonen unter anderem auf der Webseite von Cornelius Gurlitt, dass er sich der moralischen Dimension des Falles sehr bewusst sei. Was heißt denn das das konkret?
    Holzinger: Das heißt ganz konkret, dass Herr Gurlitt mehrfach diesbezüglich jetzt auch geäußert hat in den Anspruchsteller-Diskussionen, hier einzuräumen, dass Kunstwerke, die unter potenziellem Raubkunstverdacht stehen, auch zurückgegeben werden. Das betrifft aber einen sehr, sehr kleinen Teil der gesamten Sammlung. Ein Großteil der Sammlung …
    "Maximal drei Prozent der Exponate unter Raubkunstverdacht"
    Fischer: Sechs Anfragen haben Sie, glaube ich, vorliegen.
    Holzinger: Genau. Wir haben derzeit sechs Anspruchsteller, die mit uns in Verbindung sind und mit denen der Kunstrechtsexperte von Herrn Gurlitt auch verhandelt. Im Übrigen: Trotz der immensen Öffentlichkeit, die wir über die Website international auch erreicht haben, durch Berichte in verschiedensten internationalen Leitmedien hat sich bis dato kein weiterer Anspruchsteller gemeldet. Also auch hier stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit. Wir sprechen hier von derzeit maximal drei Prozent aller Exponate der Schwabinger Sammlung unter potenziellem Raubkunstverdacht. Die Diskussion in der Öffentlichkeit zeichnet manchmal ein etwas anderes Bild, und auch deswegen haben wir mit Gurlitt.info eine Website aufgezogen, um hier etwas mehr Transparenz, aber auch Möglichkeiten für Anspruchsteller zu schaffen, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
    Fischer: Zurück zu Ihren Forderungen, Herr Holzinger: Was wollen Sie denn konkret?
    Holzinger: Mit der Beschwerde konkret ist das Ziel verbunden, dass der damalige Beschluss quasi für unrechtmäßig erklärt wird, und das bedeutet im Umkehrschluss: Wenn das Landgericht Augsburg als die hierüber dann befindende Gerichtseinheit dieser Beschwerde folgt, dann würde Herr Gurlitt seine Sammlung zurückbekommen. Das heißt im Umkehrschluss aber dann nicht, dass damit sozusagen sich die Gespräche mit Anspruchstellern über Rückgabe von potenziellen Raubkunstwerken sich erledigt hätten. Im Gegenteil: Dieser Pfad, den werden wir weitergehen, und zwar völlig unabhängig davon, wie das sich auf der strafrechtlichen Seite entwickeln wird.
    Fischer: Wäre denn die Forderung nach Schadenersatz beziehungsweise vor allem erst mal nach einem Schutz der Person und der Sammlung Cornelius Gurlitts ein notwendiger nächster Schritt, und wer sollte dafür verantwortlich sein?
    Holzinger: Ich möchte zum heutigen Zeitpunkt darüber nicht spekulieren. Wir wollen in aller Ruhe erst mal das Gericht arbeiten lassen. Der nächste Schritt ist ja, dass das Gericht eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zur heutigen Beschwerde einholen wird, und das Landgericht wird sich dann damit befassen. Ich glaube, es ist schlichtweg nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu spekulieren, was dann für mögliche Schritte wann folgen können. Da bitte ich Sie um Verständnis.
    Fischer: Der Sprecher von Cornelius Gurlitt, Stephan Holzinger, über die Forderung nach Herausgabe der Sammlung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.