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Gurlitt-Sammlung
Schwieriges Erbe

Cornelius Gurlitt hat seine große Sammlung dem Kunstmuseum Bern vermacht. Das reagierte bisher sehr zurückhaltend auf das wertvolle Erbe. Nicht unbegründet, sagt DLF-Kulturredakteur Stefan Koldehoff. Immer noch ist die Provenienz vieler Werke ungeklärt.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Karin Fischer | 07.05.2014
    Karin Fischer: Seit gestern war spekuliert worden, wem Cornelius Gurlitt seine Kunstsammlung vermachen würde. Seit heute Nachmittag wissen wir, es wird das Kunstmuseum in Bern sein, eine privatrechtliche Stiftung. Dort zeigt man, vorsichtig formuliert, verhaltene Freude und teilt in einer Pressemitteilung als Erstes mit, dass zu keiner Zeit irgendwelche Beziehungen zwischen Gurlitt und dem Kunstmuseum bestanden hätten. Außerdem bürde, so heißt es da weiter, das großartige Vermächtnis eine erhebliche Verantwortung und eine Fülle schwierigster Fragen auf, insbesondere rechtlicher und ethischer Natur. Deshalb geht die Frage jetzt an meinen Kollegen Stefan Koldehoff: Ist die Kunstsammlung Gurlitt für Bern ein Danaer-Geschenk?
    Stefan Koldehoff: Na ja, nach schwerer Begeisterung klingt das jedenfalls nicht, was das Kunstmuseum Bern da heute veröffentlicht hat. Und das mag ja zunächst mal verwundern, wenn man weiß, dass es um Werke geht von Henri Matisse und von Max Liebermann und um expressionistische Druckgrafik und, und, und. Aber die Frage, die sich jetzt natürlich dem Direktor stellt, ist: Was werde ich davon eigentlich behalten dürfen? Denn die Sammlung Gurlitt ist ja nicht zuletzt deswegen in die Öffentlichkeit gekommen, weil man befürchtet, dass sich NS-Raubkunst unter den Werken finden könnte. Also Bilder, Skulpturen, Grafiken, die zwischen '33 und '45 den eigentlichen Besitzern, meist jüdischen Familien, abgepresst wurden. Und das ist eine verflixte Aufgabe, herauszufinden, was denn da stimmt und was nicht. Und am Ende dieser Aufgabe steht dann vielleicht das Ergebnis, die guten Sachen müssen wir restituieren und die nicht so ganz kunsthistorisch bedeutenden, die dürfen wir vielleicht behalten. Das ist aber, wie man ebenfalls weiß, in vielen Fällen auch sogenannte Depot-Ware, also Zeichnungen und Druckgrafiken, die nicht regelmäßig in der Ausstellung zu sehen sind.
    Komplizierte Verhandlungen mit der deutschen Task Force
    Fischer: Ist es denn aber nicht so, dass die Werke, die noch überprüft werden müssen, deren Provenienz noch nicht klar ist, sich sowieso noch für ungefähr ein Jahr - dann will man damit fertig sein - in der Hand der Task Force, die sich jetzt um diese Provenienzrecherche kümmert, befinden? Muss sich das Museum in Bern wirklich verpflichtet fühlen, diese Arbeit auch noch zu übernehmen?
    Koldehoff: Das wird man ja alles klären müssen, wenn sich das Museum erklärt hat, ob es denn nun diese Erbschaft annehmen will oder nicht. Dann werden wohl Verhandlungen folgen, wer übernimmt denn jetzt diese Aufgabe. Dass sie getan werden muss, das steht, glaube ich, außer Frage. Cornelius Gurlitt selbst hatte sich dazu verpflichtet. Ob dann nun das Kunstmuseum Bern sagt, die Kosten und die Logistik dafür übernehmen wir, oder bitte macht ihr das mal schön weiter, liebe deutsche Task Force, das wird jetzt alles Gegenstand von komplizierten Verhandlungen werden.
    Fischer: Warum hat Cornelius Gurlitt denn in seinem Testament an Bern gedacht beziehungsweise Bern bedacht, wenn Bern sagt, wir kennen den Mann gar nicht?
    Koldehoff: Zunächst mal muss man wissen, dass er nie an eine deutsche Institution gedacht hat, weil er bis zum Schluss hoch empört gewesen ist, dass er in Deutschland wie ein Verbrecher behandelt wurde. Was Bern angeht, gibt es Vermutungen. Es gibt ein sehr alteingesessenes Auktionshaus, die Galerie Kornfeld in Bern. Dort ist Cornelius Gurlitt Kunde gewesen. Eberhard Kornfeld, der Grandseigneur dieses Hauses, gilt als große Graue Eminenz des Schweizer Kunstmarktes und der Schweizer Kunstszene, dass der seinem Kunden vielleicht geraten hat, na wenn Du dann später mal Deine Erbfolge klären musst - Gurlitt hat keine Kinder, es gibt sonst keine weiteren Erben; es fällt, wenn man an ein öffentliches Museum stiftet, keine Erbschaftssteuer an -, das ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.
    Wem gehören die Bilder aus Salzburg?
    Fischer: Passen denn die Arbeiten zu dem, was Bern jetzt schon hat oder sammelt?
    Koldehoff: Ja, das würde schon passen, weil Cornelius Gurlitt und vor allen Dingen sein Vater Hildebrand, der die Sammlung ja zusammengetragen hat, sich sehr auf den deutschen Expressionismus konzentriert hat. Da sind durchaus in Bern, nicht zuletzt durch Ernst Ludwig Kirchner, große Bestände vorhanden. Das Museum wird aber sicherlich auch die Frage stellen, was denn mit dem anderen Teil der Sammlung Gurlitt ist, nämlich jenen 60 durchaus hochbedeutenden Bildern, die erst vor ein paar Wochen in Salzburg im Haus von Cornelius Gurlitt gefunden worden sind. Da waren ja hochkarätige Gemälde von Claude Monet und von Courbet und von Manet und von Renoir und von anderen dabei, auch in hohem materiellen Wert. Zu dem Zeitpunkt war aber offensichtlich das Testament zugunsten von Bern bereits geschrieben, und ob dieses Testament nun auch die wertvollen Bilder und die bedeutenden Bilder umfasst, auch das ist eine Frage, die in Zukunft erst geklärt werden muss.
    Fischer: Herzlichen Dank an Stefan Koldehoff für diese Einschätzung über das Gurlitt-Erbe, das nach Bern geht. - Das Bayerische Justizministerium, das als Nachbemerkung, will jetzt erst mal prüfen, ob es sich nicht um Kulturgut handelt, das schützenswert und also nicht in die Schweiz zu transferieren sei.