Donnerstag, 25. April 2024

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Gustaf Gründgens – Der Schauspieler und die Macht

Gustaf Gründgens ist Mephisto und Mephisto ist Gründgens. Eine unauflösbare Einheit bilden die beiden Protagonisten des deutschen Theaters. Kaum eine Aufführung des auslaufenden Jahrhunderts hat sich hierzulande als so maßgeblich durchgesetzt wie die Inszenierung von Goethes Faust durch Gustaf Gründgens. Noch heute wird Oberstufen-Schülern, wenn Faust auf dem Lehrplan steht, die Filmaufzeichnung vorgeführt:

Kai Petersen | 21.12.1999
    Nun gut, wer bist du denn?/ - Ein Teil von jener Kraft,/ Die stets das Böse will und stets das Gute schafft/ - Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?/ - Ich bin der Geist der stets verneint!/ Und Das mit Recht: denn alles, was entsteht,/ Ist wert, daß es zugrunde geht;/ Drum besser wär's, daß nichts entstünde./ So ist denn alles, was ihr Sünde,/ Zerstörung, kurz das Böse nennt,/ Mein eigentliches Element./

    "Gründgens als Mephisto, das ist einerseits seine größte Rolle, andererseits ein Symbol für die Zweideutigkeit von Gründgens, eine Signatur der Nazizeit, ein Bild der prekären Nähe des Künstlers zur Macht" – So formuliert es der Autor Peter Michalzik, der sich in seiner Gründgens-Biographie ausgiebig mit dessen Rolle im Nationalsozialismus beschäftigt.

    Die "eigentliche Gründgens-Mephisto-Story" – wie Michalzik es nennt – begann bereits 1932 am Staatstheater in Berlin. In dieser Inszenierung von Lothar Müthel überzeugte Gründgens nicht nur sämtliche Kritiker, sondern noch einen ganz anderen Theaterbegeisterten: den preußischen Ministerpräsidenten und engen Vertrauten Hilters, Herrmann Göring. So wurde für Gründgens die Mephisto-Rolle schon in den dreißiger Jahren nicht nur zum Durchbruch, sie wurde auch zum Sprungbrett. Göring wurde zu Gründgens Förderer und Gründgens Intendant des Berliner Staats-Theaters - bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft. Die Gretchen-Frage (auch der vorliegenden Biographie) lautet nun: War er oder war er nicht? - Ein Nazi, teuflischer Karrierist, Opportunist, oder ganz anders (wie er selbst behauptete): versteckter Widerstandskämpfer?

    Die Literatur hierzu war bislang in hohem Maße von subjektiver Parteilichkeit geprägt. Erinnert sei nur an Klaus Manns Roman "Mephisto", der offiziell noch heute in Deutschland höchst-richterlich verboten ist. Klaus Mann - ehemals enger Freund und sogar Schwager von Gründgens - führt darin einen rücksichtslosen Karrieristen vor, der aus niederen Motiven mit den Nazis gemeinsame Sache macht. Die Anspielungen auf Gründgens sind dabei nur allzu deutlich.

    Auf der anderen Seite stehen viele Bewunderer und Weggefährten des Schauspielers, die immer wieder seine Rolle im Nationalsozialismus verteidigt haben und berichteten, wie er sich vor jüdische Kollegen gestellt hat. Und natürlich Gründgens selber, der im nachhinein immer beteuert hat, sein Theater sei eine Insel für die Kunst und auch für das Ensemble gewesen – abgeschottet von den Machenschaften der Nationalsozialisten.

    Peter Michalzik will mit seinem Buch nun (wie er selber sagt) den "'Verblendungzusammenhang' der Bewunderer und Verächter" verlassen. Und er hat – in dem Jahr geboren als Gründgens starb – tatsächlich genügend Distanz, die für den Leser zugleich aber auch fehlende Unmittelbarkeit bedeuten kann. Michalzik hat Zeitdokumente wie Kritiken und Zeitungsberichte ausführlich ausgewertet. Dabei orientiert er seinen Blick vor allem an der Inszenierungsgeschichte einzelner Stücke. Z.B. am Hamlet, den Gründgens 1936 spielte. Der Klassiker war für Gründgens die wichtigste Rolle in seinem Leben. Mit ihr wollte er endgültig zum seriösen Schauspieler werden. Nicht länger sich selbst spielen – den kalten, nervösen Typ - , sondern ganz hinter der Rolle zurücktreten. Rein und nur der Kunst verbunden. Keinen aktuellen Zeitbezug wollte Gründgens. Und doch, so zeigt Michalzik, war gerade diese Hamlet-Aufführung voller aktueller, politischer Bezüge: Ob gewollt oder nicht: Der NS-Ideologie kam es entgegen, dass Gründgens Hamlet nicht als den angekränkelten, skeptischen Zauderer spielte. Als "jüdisch" bezeichnete der "Völkische Beobachter" andererseits, dass die Interpretation, nicht von Gefühl, sondern von kühlem Verstand geprägt war. Wie auch immer: Die Aufführung wurde ein Triumphzug. Gründgens repräsentierte damit das Deutsche Reich: Sowohl bei Gastspielen in Dänemark als auch - kurz nach dem "Anschluss" Österreichs – am Burgtheater in Wien.

    Vollkommen zu recht schließt Michalzik daher, dass Gründgens' Staatstheater alles andere als eine Insel war, - angeblich losgelöst von dem braunen Sumpf, ohne von ihm geformt zu sein und ohne selbst daran mitzuwirken. Auch wenn Gründgens vielen Schauspielern einen schützenden Rahmen geboten hat und versuchte, vom Spielplan Ideologisches fernzuhalten. "Das bloße Aufrechterhalten des Spielbetriebs war kein heroischer Akt", so Michalzik. Gründgens hat, entgegen seinen späteren Beteuerungen, sehr wohl "am "kulturellen Vorhang" des dritten Reiches mitgewebt".Er war alles andere als ein Widerstandskämpfer, wie er sich später, nach dem Krieg, selbst gesehen hat.

    Gründgens ist zum Symbol des Künstlers im Dritten Reich geworden. Und er wurde Repräsentant einer kollektiven Haltung nach dem Krieg: einer Haltung der Verdrängung, die jegliche Verstrickung mit dem Nazi-Regime von sich wies. So ist es symptomatisch, dass Gründgens nach seinem Entnazifizierungsverfahren und neun Monaten Inhaftierung durch die Russen bei seiner Rückkehr vom Berliner Publikum begeistert gefeiert wurde. Gründgens wußte eben zu gewinnen. Mal wieder hatte er all sein taktisches Geschick ausgespielt.

    Das gehörte genauso zum Charakter Gustaf Gründgens wie das Attribut der Kälte, das immer mit ihm verbunden wurde. Dennoch war er, so schließt Michalzik seine sehr differenzierte Untersuchung zur Persönlichkeit von Gustaf Gründgens, - dennoch war Gründgens - genauso wenig wie er ein Held war - Mephistopheles im Sinne der teuflischen Verkörperung des Bösen. "Er war Schauspieler". Und damit voller Zweideutigkeit: Hin- und hergerissen zwischen Rolle und Wirklichkeit:

    "(Singt zur Zither.) Was machst du mir vor Liebchens Tür,/ Kathrinchen hier/ Bei frühem Tagesblicke?/ Laß, laß es sein..../