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Gustave Caillebotte und der Einfluss der Fotografie

Die Werke des Impressionisten Gustave Caillebotte sind fotografisch anmutende Darstellungen. So zeigt ein Bild, ein Mann, der sich abtrocknet. Die Ausstellung in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle präsentiert damit neben seiner Modernität auch sein Rollenverständnis von Männern.

Christiane Vielhaber im Gespräch mit Dina Netz | 19.10.2012
    Dina Netz: Geld kann manchmal auch hinderlich sein. Gustave Caillebotte stammte aus einer reichen Familie, und so war es für ihn nicht wichtig, seine eigenen Bilder zu Geld zu machen. Er hat Zeit seines Lebens überhaupt nur zwei eigene Bilder verkauft und sie später zurückgekauft. Viel mehr hat es Caillebotte interessiert, Bilder seiner Kollegen zu sammeln, und so war er zu seiner Zeit weniger als Maler, denn als Sammler und Förderer der Impressionisten bekannt. In Frankreich hat Gustave Caillebotte als wichtiger impressionistischer Maler inzwischen seinen Platz in der Kunstgeschichte; in Deutschland ist er immer noch weniger bekannt. Eine Ausstellung in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle will das jetzt ändern, und sie will zeigen, wie stark Caillebotte von der Fotografie beeinflusst war. Christiane Vielhaber, wie kann man das an seinen Bildern denn sehen?

    Christiane Vielhaber: Sehr schnell und sehr direkt, weil es Gegenüberstellungen gibt und dann sieht man, dass Caillebotte der Fotografie voraus war, dass er also zum Beispiel Bewegungsabläufe, wie wir sie aus der Fotogeschichte von Eadweard Muybridge kennen – ein Mann läuft oder jemand rudert oder so -, dass er das vorher schon für sich in der Malerei überlegt und umgesetzt hat. Ein Beispiel: Seine Eltern hatten ein großes Gut an der Yerres, und auf diesem Fluss sieht man dann drei Kanufahrer und alle drei sind in einem ganz anderen Bewegungsablauf. Und daneben sehen Sie eine Serie von Ruderern aufgenommen, wie die sich bewegen. Dann haben Sie hinreißend zum Beispiel einen Mann, der am Ufer langgeht, und vor ihm ein getrimmter Königspudel, und dann sehen Sie, wie der Fußablauf des Mannes ist und wie anders der Hund geht, und das muss anatomisch so perfekt gemacht sein von ihm, dass es unglaublich ist, dass man gar nicht glauben kann, dass er diese Fotografie nicht gesehen hat. Aber dann auch wieder so was ganz Ungewöhnliches, das manche Leute dazu gebracht hat zu fragen, ist der eigentlich schwul gewesen. Er malt einen Mann, der sich abtrocknet. Man kennt ja sonst nur die Frauen beim Bade, und der legt dann so sein Bein auf die Badewanne und trocknet sich ab, und darum geht es auch. Es geht auch darum, wie trocknet der sich ab, aber – und das zeigt diese Ausstellung auch – es geht auch um ein Rollenverständnis, dass der Mann eben nicht mehr der große Macho ist, sondern der wird gezeigt, nackt wie er ist, wie er sich abtrocknet, und nicht so der große Kerl, wie man nackte Männer eigentlich in der Kunstgeschichte als Aktstudien kannte, Gewichtheber und ich weiß nicht was alles. Und auf der anderen Seite zum Beispiel ein Bild, wo eine Frau vorne sitzt und liest, und im Hintergrund denkt man, kann der eigentlich nicht malen, und der Mann, ziemlich klein, liegt auf dem Sofa. Das hat aber auch was damit zu tun, dass die Frau jetzt schon so emanzipiert ist, dass sie zuhause liest und nicht nur häkelt und strickt und der Mann eigentlich immer kleiner wird.

    Netz: Christiane Vielhaber, ganz kurz: Ist das eine Ausstellung, die tatsächlich geeignet ist, nicht nur das technische Genie Caillebotte zu zeigen, sondern ihn auch wirklich hier als Maler bekannter, berühmter zu machen?

    Vielhaber: Am tollsten sind die Malereien und am lustigsten sind manchmal die Vergleiche mit der Fotografie.

    Netz: Okay. - Vielen Dank! Christiane Vielhaber, über die Ausstellung "Gustave Caillebotte. Ein Impressionist und die Fotografie" in Frankfurt.